650 Jahre Neustadt am Harz

Neustadts Bierkeller öffnet am Sonntag

Mittwoch
07.09.2022, 08:10 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Bier war ein Grundnahrungsmittel des Mittelalters. Es gibt am kommenden Sonntag ab 10.00 Uhr in Neustadt am Neuen Schloss, eine Öffnung des Bierbrau-Gewölbe- Kellers mit Überraschungen. Die hat der Verein zur Erhaltung des Neuen Schlosses und der Domäne Neustadt organisiert. Aber Bier, das gab es hier doch nur von Roland Bräu oder aus Woffleben? Ein Blick in die Bier-Geschichte…

Der Förderverein Neues Schloss in Neustadt überrascht am Sonntag, den 11. September die Gäste und öffnet das Bierbrau-Gewölbe, den alten Brauhauskeller, direkt am Neuen Schloss. Neben einer kleinen Ausstellung soll es sogar wohlschmeckendes Bier aus Harztor zur Verkostung geben. Zu den Privilegien, die das mittelalterliche Neustadt unterm Hohnstein pflegte, gehörte das abgabenfreie Brauhaus, welches selbst heute nicht mehr besteht.

Bier war auch in Hohnstein, Neustadt und Nordhausen im Mittelalter wohl das wichtigste Volksgetränk und eine Nahrungsgrundlage zugleich. Eine warme Suppe auf Basis von Dünnbier galt im gesamten deutschen Sprachraum -vor allem auf dem Land- bis weit in das 19. Jahrhundert hinein als ein häufiges Frühstück für Erwachsene wie für Kinder. Bier wurde in Neustadt über mehrere Jahrhunderte hinweg gebraut. 1503 wird in Neustadt ein Brauhaus aktenkundig. Viel früher wird man auch schon Leicht- Bier konsumiert und erzeugt haben. Nachdem eine Schankwirtschaft im Rastkeller bestand, durfte diese natürlich auch Bier ausschenken.

In der Grafschaft mussten u.a. Spann- und Fuhrarbeiten erbracht werden. Alle Bürger (ohne Pferd) waren bspw. verpflichtet, Briefe über eine Meile zu tragen. Gegen ein Maß Bier und ein Stück Brot. Für diverse andere Dienste wie dem Pflücken von Hopfen, gab es den Trunk nach Notdurft. Der Begriff Notdurft meinte damals den lebensnotwendigen Bedarf. Alle Dörfer des Amts Hohnstein waren grds. verpflichtet, ihr Bier nur von Hohnstein zu holen. Im 13. Jahrhundert gab es hoheitliche Berechtigungen bzw. Einschränkungen, wo Bier gebraut und ausgeschenkt werden durfte. In Nordhausen war um 1300 in den Statuten auch geregelt, dass das Würfelspiel nach dem Ertönen der Bierglocke untersagt war.

Der Hohnsteiner Graf Henricus der Hoffärtige schlug dem Kloster Walkrenried Anno 1409 vor, „ sull der Prior ehnen geben einen jeglichen Persohn en Maaß Northusisches Beers, uff daß sie deste flißiger den lieben Gott vor uns und usere Eltern, unde vor usern gantzen Herschaft bitten, und diese Gedächtniß und Begüngnis ewig blieben mögen.“ In Auseinandersetzungen mit Nordhausen kam es 1485 zu einer Vereinbarung auch zum Bier, so dass damit freiere Geschäfte temporär möglich wurden. Aktenkundig wird 1499 ein stolbergischer Landtag, auf dem Bierzinsen zur Beseitigung der Finanznot bewilligt worden sind. Als 1525 der Bauernkrieg begann, wandte sich der Graf Ernst an den Führer der Aufständischen, er antwortete diesem: „Ei Hans, sei zufrieden, das Bier ist noch nicht in dem Fasse, darin es gären soll."

Da unter der Herrschaft des Grafen Heinrich zu Stolberg in verschiedenen Orten Streitigkeiten wegen der Flurgrenzen entstanden waren, verordnete er im 34. Artikel seiner Landesordnung für das Amt Honstein 1581, dass unter anderem zur Beilegung von Streitigkeiten auch wohl eine Tonne Bier vertrunken werden soll. Das Jahr 1627 wurde das womöglich schlimmste Jahr für die Grafschaft Hohenstein, kriegerisch wurde marodiert, … „und Dörfer ganz ausgeplündert, Kisten, Kasten, Schäppe und alles aufgehauen, alle Pforten, Fenster, Stühle, Bänke und andern Hausrat zernichtet, aus- und entzweigeschmissen, was an Fleisch, Butter, Käse, Eiern und anderen Victualien vorhanden gewesen, wenn sie sich damit gefüllt gehabt, in Kot getreten; den Fässern mit Wein, Most, Bier, Broihan und andern Getränken den Boden ausgeschlagen und auf die Erde laufen lassen;… Broihan, als weißes Bier, war in der Gegend beliebt, es war ein Weizenbier. Daneben gab es in der Regel die weitere Sorte Gose und ein Braunbier.

Das finden wir auch in „Nordhausen um 1790“ beschrieben: Auch wird hier viel Bier gebraut, doch nichts ausgeführt, alles wird in der Stadt verbraucht. Die vielen Obersachsen, die ihr Getreide herbringen, der Harzbewohner, den der Ankauf seiner Nahrungsmittel herrnst, die vielen Viehhändler und Schweinetreiber vertrinken ein ansehnliches Quantum dieses Getränkes. Die Nordhäuser selbst sind tüchtige Biertrinker; sie haben zwei weiße Biere: Broihan und Gose, nebst einem Braunbier. Im Archiv des Landkreises Nordhausen finden sich Ergänzungen zum Braumeistereid oder sogen. Spezifikationen über gebrautes Bier bis zum 18. Jahrhundert aus Neustadt.

So kann der Verein zur Erhaltung des Neuen Schlosses und der Domäne Neustadt am Sonntag, dem 11.September ab zehn Uhr die Eröffnung des Bierbräu-Gewölbes am Neuen Schloss feiern und den Besuchern viele Überraschungen bieten, auch alte Dokumente zum Honsteiner Bier aus Neustadts früherem Brauhaus zeigen. Gerüchte aus gut informierten Kreisen meinen, es könnte an diesem Sonntag sogar auch wieder Bier aus Harztor dort verkostet werden!
Tim Schäfer

Einzelnachweise:
Archiv des Landkreises Nordhausen, A239, A 423, A424, insbesondere
Gräfliche Urkunde zu den Gerechtsamen und Privilegien
FRIEDRICH CHRISTIAN LESSER HISTORIE DER GRAFSCHAFT HOHNSTEIN, Nach dem Manuskript im Thüringischen Hauptstaatsarchiv zu Weimar herausgegeben von Peter Kuhlbrodt, Bd. 5 a.a.O., u.a. S. 70 ff. /149 r
Staatsarchiv Hannover, Des. 19c XII. Varia Nr.1, (auch beschrieben von Fiedler)
Förstemann, N. Mittheilungen des thür. -sächs. Vereins 3, 1, 32 ff., 58 f. Art. 108
Bier – Historisches Lexikon Bayerns (historisches-lexikon-bayerns.de)
https://www.neues-schloss-neustadt.de/
Paul Jovius, Geschichte der Grafen von Honstein..., S. 130 ff.; Bayr. Staatsbibliothek München
Heimatland. Illustrierte Blätter für die Heimatkunde des Kreises Grafschaft Hohenstein, des Eichsfeldes und der angrenzenden Gebiete, 1910, Nr. 8 Verordnung wegen des Flurumganges im Amte Hohenstein 1581 – NordhausenWiki (nordhausen-wiki.de)

Das tausendjährige Nordhausen in Geschichte und Sage in Roman und Dichtung ; Pflüger – Thüringer Heimatblätter (Heft 5, 1927); auch Jonas Ludwig von Heß „Nordhausen um 1790“.
Entwurf: Tim Schäfer, Niedersachswerfen/Harztor