historisches Dreirad wurde wissenschaftlich untersucht

Nicht mehr ganz Kutsche, noch nicht ganz Auto

Donnerstag
01.09.2022, 09:47 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
In der Ausgabe Nr. 8 im August 2022 der Zeitschrift „ Auto Bild Klassik“ werden auf acht Seiten die Untersuchungsergebnisse an dem historischen Dreirad veröffentlicht, welches seit Anfang 2021 nicht nur die Oldtimerfreunde vom Ostklassikerklub Wolkramshausen, sondern die historisch interessierte Autowelt an sich bewegt...

Ausgangspunkt ist ein ca. zwei Meter langes Vehikel auf drei Rädern, angetrieben von einem Einzylinder Motor ohne jegliche Herstellerkennung, ausgestattet mit einer Sitzbank für zwei Personen, zwei Kutschenlaternen mit Wachskerzen für Nachtfahrten und einem Signalhorn, welches durch einen Fußblasebalg betätigt wurde.

Bei der ersten Besichtigung 2021 des über mehrere Jahrzehnte abgestellten und ein wenig vergessenen Fahrzeuges, war für die fachkundigen Mitglieder des Ost Klassiker Klubs Wolkramshausen klar, vor ihnen steht ein Relikt aus der sehr frühen Automobilgeschichte. Eine erste damals vorgenommene zeitliche Einordnung wurde auf ein Alter von 100 -120 Jahren festgelegt.

Nach dem Kauf wurden anerkannte Fahrzeugexperten aus Nordthüringen wie der KFZ- Meister Martin Bohnhardt und Dipl. Ing. Joachim Mäder hinzugezogen, um weitere Meinungen zum Alter und zum Ursprung des Fahrzeuges zu hören. Einer der besten Fahrzeugrestauratoren für Kutschen und frühe Automobile mit Holzaufbauten in Thüringen, war der zwischenzeitlich leider verstorbene Stellmachermeister Uwe Thiede.

Das historische Dreirad aus der Frühzeit des Automobils schätzt man auf ein Alter von 100 bis 120 Jahre (Foto: Hubert Rein) Das historische Dreirad aus der Frühzeit des Automobils schätzt man auf ein Alter von 100 bis 120 Jahre (Foto: Hubert Rein)


Er stellte u.a. fest, dass das Dreirad eine besondere Arbeit eines Wagners war, der im Übergang vom traditionellen Kutschenbau zum modernen Motorwagen sein damaliges Wissen und handwerkliches Können in dieses Dreirades gab.
Das für die interessierte Öffentlichkeit wieder entdeckte Dreirad scheuchte sofort die Fachwelt im In- und Ausland auf und Vermutungen wurden laut, der Garagenfund aus Leipzig könnte die festgezurrte Geschichtsschreibung, die bezogen auf Deutschland geprägt von den Namen Benz und Daimler ist, zu einer Korrektur veranlassen.

Seitens des Nordthüringer Oldtimerklubs gab es aber zu keinem Zeitpunkt Aussagen, die darauf hinaus liefen, den Olymp des Automobilbaus in Deutschland einzureißen. Der Journalist des o.g. Beitrages betonte explizit dazu auf Seite 69, „Daimler und Benz dürfen die Lorbeeren als Erfinder des Automobils behalten“. Damit hat der Journalist die entstandene Unruhe in gewissen Fachkreisen etwas beruhigt.

Um zweifelsfrei diesen Zustand bzw. diese Feststellung treffen zu können, sandte im Vorfeld zu diesem Beitrag die Zeitschrift Auto-Bild –Klassik vier namhafte Wissenschaftler, den besagten Journalisten und einen Profifotografen nach Wolkramshausen. Unter der Leitung einer promovierten Diplomrestauratorin für Materialanalysen u.a. an historischen Fahrzeugen, wurden in 12 Stunden Materialproben vom Holz, Leder, Gummi und vom Metall entnommen, akribisch dokumentiert und für die weiteren Untersuchungen in verschiedenen namhaften Laboren vorbereitet. Ein aus Sachsen stammender Experte nahm dabei Konstruktionsuntersuchungen vor.

Nach 8 Monaten wurden nun die Ergebnisse der mit Sicherheit auch finanziell sehr aufwendigen Untersuchungen der Öffentlichkeit auf acht sehr informativen und gut gestalteten Seiten bekannt gegeben. Auch interessante Recherchen zum wechselvollen Umgang mit dem Oldtimer in der Zeit der DDR bis zum Erwerb durch Mitglieder des Nordthüringer Oldtimerklubs machen den Beitrag lesenswert. Ein bestätigtes Gutachten der vier Wissenschaftler steht derzeit noch aus und soll weitere Details enthalten.

Im Wesentlichen kann heute nach den veröffentlichten Untersuchungsergebnissen davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug dem technischen Stand um 1900 entspricht. Vier Farbanstriche wurden analysiert, der erste Anstrich in einem grau gehaltenen Kutschenlack wird als hochwertig bezeichnet. Die vierte sichtbare Lackierung diente dem Versuch der möglichen Vermarktung des Fahrzeuges in der Zeit der DDR und ist augenscheinlich auch nicht von besonders handwerklichen Geschick.

Das Fahrzeug wurde in den ersten Jahren seiner Existenz intensiv genutzt und technisch den Neuigkeiten in den Folgejahren mehrfach angepasst.
Unklar war längere Zeit auch der Hersteller des Motors. Nun gibt es die Aussage, dass das Fahrzeug mit einem Motor versehen wurde, der in der Motoren- und Motorenfahrzeugfabrik von Moritz Hille in Dresden Löbtau im Zeitraum von 1898 – 1901 vermutlich hergestellt wurde. Alte Werbedrucke, die uns durch das Verkehrsmuseum Dresden bereitgestellt wurden, bestätigen die Auffassung des sächsischen Experten. Allerdings steht noch die Vermutung im Raum, dass es eventuell auch einen Vorgängermotor schon gab.
Ungelöst bleibt weiterhin das Rätsel um den Schöpfer des kleinen Vehikels oder des „Mebbels“ wie in der sächsischen Mundart ein kleines Fahrzeug auch bezeichnet werden kann, welches mit einiger Sicherheit in Sachsen hergestellt, genutzt und in den ca. 120 Jahren somit auch zu einem Teil der Automobilgeschichte des Freistaates Sachsen geworden ist.

Für den Nordthüringen Klub geht die Suche nach dem Ursprung des Fahrzeuges nun weiter. Gern werden Hinweise unter: www.oldtimer-wolkramshausen.de von sachkundiger Seite entgegen genommen.

Hubert Rein
Ost Klassiker Klub Wolkramshausen