NNZ-FORUM zur Forderung von Wolfgang Kubicki

Nord Stream 2 öffnen!

Dienstag
23.08.2022, 11:26 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
"Zugegeben, als Mitglied der SPD gehöre ich nicht gerade zum engeren Kreis der politischen Freunde von Wolfgang Kubicki. Doch dieser Tage hat der nicht unbekannte und in den Polit-Talkshows gern gesehene FDP-Politiker ein Interview gegeben und dabei etwas verlauten lassen, was meine volle Zustimmung findet." Das schrieb uns unser Autor Hans Georg Backhaus...

Gestern im Fernsehen (Foto: HG Backhaus) Gestern im Fernsehen (Foto: HG Backhaus)

In einem Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) plädierte Kubicki für die Öffnung der (nicht wirtschaftlich) aber politisch umstrittenen Erdgaspipeline Nord Stream 2. Darin appellierte er eingangs an die Verantwortlichen in der Bundesregierung hinsichtlich der problematischen Energiesituation in unserem Land, „alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um die Versorgungssicherheit über den Winter hinaus zu gewährleisten“.

Zudem plädierte er für den Weiterbetrieb der drei sich noch am Netz befindlichen deutschen Atomkraftwerke. Aus seiner Sicht sei niemanden geholfen, „wenn wir ohne ausreichend gefüllte Gasspeicher in den Winter gehen“. Um sich schließlich mit der Aussage „Es gibt keinen vernünftigen Grund Nord Stream 2 nicht zu öffnen“ mit deutlichen Worten für eine Inbetriebnahme dieser Gasleitung auszusprechen.

Was wunder, dass der FDP-Mann sich damit „den Unmut der eigenen Partei auf sich zog“, wie es in manchen Medien hieß. Überhaupt kam diese eindeutige und ich sage auch mutige Forderung in zahlreichen deutschen Medien alles andere als gut an. In den Nachrichtensendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender wurde dem Interview nur wenig oder gar keine Beachtung geschenkt. Passt(e) halt nicht in die offiziell von der EU vorgegebene „Gesamtstrategie“ gegenüber Russland.

Doch Wolfgang Kubicki ist nicht irgendwer. Er ist Stellvertretender FDP-Vorsitzender und einer der Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages. Er wird sich wohl gut überlegt haben, welche Position er auf Fragen zur Energiesicherung in solch einem Interview vertritt. Und trotz massiver Medienschelte dürfte Kubicki eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung in dieser Frage hinter sich wissen.

Es ist nun mal Fakt: Mit 20 Prozent Gasmenge durch die Leitung Nord Stream 1 kommen wir in den nächsten Monaten nicht zurecht. So wurde jetzt bekannt, dass auch die etwas erhöhten Liefermengen an Erdgas aus den Niederlanden und Norwegen die Lage nicht wirklich verbessern. Und Kanada hat jetzt wissen lassen, dass man zwar Deutschland mit Flüssiggas helfen und die Erzeugung grünen Wasserstoffes vorantreiben wolle, doch das sei erst langfristig möglich, da u.a. noch keine LNG-Terminals zur Verfügung stehen.

Währenddessen gehen die Energiepreise für die Verbraucher „durch die Decke“. Die deutsche Bundesregierung versucht mit immer neu geschnürten „Entlastungspaketen“ die Bürger zu beruhigen. Das ist auf den ersten Blick löblich. Doch das viele Geld, was jetzt ausgegeben werden soll, um die hohen Kosten beispielsweise für Energie, Lebensmittel, Ersatzteile, Baumaterialien und Dienstleistungen zumindest etwas zu deckeln, ist gar nicht vorhanden. Es werden Schulden gemacht, deren Rückzahlungen den kommenden Generationen aufgebürdet werden.

Da erhebt sich für mich die Frage: Wie lange kann das noch gutgehen? Zumal sich die Inflation nach Wegfall des 9-Euro-Tickets und dem Ende der Spritpreis-Vergünstigungen ab 1. September auf die Marke von etwa 9 Prozent zubewegt. Ist es da nicht an der Zeit, nach Wegen zu suchen, ggf. auch Kompromisse – auch wenn sie schmerzlich sind – zu schließen?

Und ja, da ist der Krieg in der Ukraine, der von Russland begonnen wurde und barbarische Auswirkungen für das ukrainische Volk hat. Deutschland hat den Menschen auf vielfältige Weise Hilfe gewährt. Und wird es auch weiterhin tun. Das kann Deutschland aber nur, wenn wir wirtschaftlich wieder stark genug werden. Augenblicklich sind wir das nicht. Wirtschaftsexperten sprechen gar von einer bevorstehen Rezession.

Sicher, der russische Präsident scheint mit uns sein Spiel zu treiben. Einige Politiker in der Bundesregierung suggerieren uns, mit Putin könne man nicht mehr reden. Wirklich nicht? Unter Vermittlung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres und des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan haben sich die russische und ukrainische Seite kürzlich auf freie Ausfahrt von mit Getreide und Mais beladenen Frachtschiffen aus ukrainischen Häfen geeinigt. Und erfreulicherweise scheint das auch gut zu funktionieren.

Und nun telefonierte auch der französische Präsident Emmanuel Macron wieder mit Wladimir Putin, um sich über die Sicherheit des Atomkraftwerkes von Saporischschja
auszutauschen. Es gibt also durchaus Gespräche, die letztlich ein Stück weit mehr Entspannung in diesem Konflikt bringen. Nur die deutsche Bundesregierung verweigert sich den Gesprächen. Ist es nicht besser, miteinander zu reden als aufeinander zu schießen und durch immer mehr Waffenlieferungen den Konflikt weiter anzuheizen?

Wir steuern auf einen problematischen Herbst zu. Da reicht es aus meiner Sicht nicht, die Deutschen mit der Forderung nach Einsparung von mindestens 15 bis 20 Prozent des Energieverbrauchs einzuschwören. Zumal keiner weiß, wer und wie das zu kontrollieren ist. Unsere Politiker sollten in der gegenwärtigen Situation ihre ideologischen Scheuklappen ablegen und stattdessen auf pragmatisches Handeln setzen.

Und dazu gehört auch, mit der russischen Seite wieder zu reden, um Nord Stream 2 öffnen zu können, nicht dauerhaft – aber zumindest für die nächsten zwei Jahre.
Denn heißt es da nicht im Amtseid, den jedes Mitglied der deutschen Bundesregierung vor Amtsantritt ablegt „… meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden...“? Dann macht mal! Noch ist es nicht zu spät.
Hans-Georg Backhaus