Aus dem Kreisausschuss

Die Herausforderungen von morgen

Montag
25.07.2022, 19:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Im Kreisausschuss hatte man heute nicht viele Entscheidungen zu fällen. Die Gelegenheit nutzte man allerdings, um sich über die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Situation an der Nordhäuser Hochschule informieren zu lassen...

Im Kreisausschuss berichtete heute Karsten Froböse zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (Foto: agl) Im Kreisausschuss berichtete heute Karsten Froböse zur Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt (Foto: agl)


Nach den einleitenden Worten des Landrates war es heute Karsten Froböse, Leiter der Nordhäuser Agentur für Arbeit, der das Wort hatte. Froböse berichtete zum aktuellem Stand auf dem Nordthüringer Arbeitsmarkt.

Den Zahlen dazu ließ Froböse einen Überblick über die Wirtschaftsleistung des Freistaates vorangehen. Rund 65,5 Milliarden Euro erreicht Thüringens Bruttoinlandsprodukt im Jahr. Der Landkreis Nordhausen trägt dazu immerhin 2,2 Milliarden bei.

Gute Zahlen, auch für den Arbeitsmarkt. Die Entwicklung blieb mit rund 29.700 sozialversicherungespflichtig Beschäftigten stabil. Die Zahl der Arbeitslosen war während der Pandemie leicht angestiegen, blieb aber weit unter dem Niveau der letzten großen Krise ab 2008. In der Folge sanken die Zahlen wieder, inzwischen sehe man einen „Sondereffekt“ durch die Flüchtlinge aus der Ukraine, die sich beim Jobcenter jetzt arbeitslos melden müssen. Die Zahl der inländischen Arbeitslosen ist im Jahresvergleich von 2.585 auf 2.388 Personen gesunken, während die Zahl der ausländischen Arbeitslosen im gleichen Zeitraum von 401 auf 590 Personen gestiegen ist.

Knapp 1.000 Personen befinden sich in Qualifizierungen oder sogenannten „Ein-Euro-Jobs“. Auch hier sind die Zahlen in der letzten Dekade stark rückläufig und seit 2011 um rund 1.300 Personen gesunken. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, also Personen die seit über 12 Monaten keine Anstellung gefunden haben, liegt bei 1094 Personen. Der Corona-Knick ist auch in dieser Statistik zu sehen, der Huckel im Graphen hat sich aber inzwischen wieder abgeflacht. Insgesamt sei die Situation für Nordhausen im Bundesvergleich „respektabel“.

Der Fachkräftebedarf der Unternehmen bleibe derweil weiter ein Problem, das Thema sei alles andere als beerdigt. Im gesamten Nordthüringer Raum sind der Agentur über 2000 offene Stellen bekannt. Ein paar gute Nachrichten hatte Froböse auch. So ist die Zahl der Schulabgänger im Freistaat zuletzt leicht gestiegen. Die Daten kommen aber mit einem Wermutstropfen daher, die demographische Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bleibt problematisch. Aus der Region alleine werde man den Verlust in der Spitze nicht ausgleichen können, erklärte Froböse. Mit dem Problem steht man nicht alleine da, man müsse sich fragen, wo in Zukunft die Arbeitskräfte herkommen sollen. Bis 2040 könnte der Freistaat und 243.000 erwerbstätige Personen verlieren, mehr als in ganz Nordthüringen im Moment tätig sind. „Das Problem zieht sich durch alle Bereiche, das muss uns klar werden“, unterstrich der Leiter der Agentur für Arbeit.

Ein Problem bleibt die Integration neuer Fachkräfte. Von Seiten des Landes gebe es keine Anzeichen für eine Integrationsstrategie der Flüchtlinge, kritisierte Landrat Matthias Jendricke. „Es ist traurig das zu sehen, man sieht deutlich was uns fehlt“, sagte der Landrat, man befinde sich im Kostenstreit und rede gar nicht über Integration, was befremdlich sei. „Wenn es uns finanziell trifft, wird es im Haushalt spürbar“, man handele hier im übertragenen Wirkungsbereich, Bund und Länder müssten für die Kosten aufkommen. Derweil erwartet man im Landkreis weitere Ankünfte von Flüchtlingen aus dem Kriegsgebiet, die Situation bleibe eine Herausforderung.

In der Agentur gibt es aktuell eine Kollegin, die der ukrainischen Sprache mächtig ist. Man führe zunächst Gespräche zur Selbsteinschätzung und führe Anerkennungsverfahren, und Vermittlungsvorstellungen durch. Ziel müsse es sein, die Leute „Qualifikationsadäqaut“ einzusetzen, was aber durch Sprachbarrieren und fehlende Zertifikate nicht einfach umsetzbar sei, führte Froböse aus. Viele Ukrainer könnten derweil auf Englisch kommunizieren, es müssten sich aber auch Unternehmen finden, die bereit sind unter diesen Umständen einzustellen.

Die Unternehmen müssen sich öffnen
Die Ausführungen des Präsidenten der Nordhäuser Hochschule führten in eine ähnliche Richtung. Die Gesellschaft insgesamt werde eine Antwort finden müssen, erklärte Professor Dr. Jörg Wagner, der zum internationalen Studienangebot der Hochschule berichten wollte. Die Nachfrage nach Ingenieuren sei ungebrochen hoch, die Lust der einheimischen Schulabgänger sich mit Mathematik zu befassen oder Abseits der Metropolen zu studieren sei im Gegenzug aber gering.

Die Hochschule sei darauf angewiesen, die Schülerinnen und Schüler aus der Region von den Vorzügen zu überzeugen und mit den guten Kontakten in die Wirtschaft und praxisnaher Lehre zu punkten. Immer wichtiger werden aber auch internationale Studierende, die mit rein deutschen Studienangeboten aber nicht zu locken sind. Entsprechend hat man am Weinberg damit begonnen, englischsprachige Studiengänge anzubieten, vor allem in den Bereichen Recycling, Erneuerbare Energie und Informationstechnologie, in denen Englisch ohnehin "lingua franca" ist.

Insgesamt 306 „Bildungsausländer“ zähle man im Moment, von denen die Mehrzahl die englischsprachigen Angebote nutzt. Bis zu 130 neue internationale Studienanfänger erwarte man zum Wintersemester, erklärte Wagner. Und viele könne man in der Region halten, wenn die richtigen Jobangebote zur Verfügung stehen. Rund 50 Prozent der Studierenden würden sich aktuell nach ihrem Abschluss im Umkreis von 50 Kilometern niederlassen, unter den internationalen Studierenden könne die Quote bei den richtigen Voraussetzungen noch etwas höher liegen.

„Das ist eine Möglichkeit den Mangel abzudecken. Wir haben in diesen Studiengängen auch Deutsch als Pflichtfach dabei, aber das sind und werden keine Muttersprachler. An dieser Stelle müssen die Firmen ein gewisses Maß an Offenheit mitbringen. Ingenieurtechnisch sind diese Leute bestens qualifiziert, und das wird ein Standortfaktor für die nächsten Jahre, wenn sich unsere Unternehmen internationaler aufstellen.“

Eine ganz andere Schwierigkeit, die jungen Leute hier zu halten, sei kultureller Natur. Die Angebote für junge Erwachsene seien in den letzten Jahren stark geschrumpft, und manch Student Frage sich nach zwei Jahren Corona, ob man jetzt noch in „einer toten Stadt“ bleiben wolle.

Ausgaben über 50.000 Euro
Damit konnte man zur eigentlichen Tagesordnung übergehen. Drei Ausgabe-Titel hatte der Ausschuss heute auf dem Zettel. Punkt Nummer Eins betraf das Herder-Gymnasium. Hier muss die Brandmeldeanlage ertüchtigt werden und wenn man einmal dabei ist, wird man auch die Beleuchtung erneuern. Kostenpunkt insgesamt: 275.000 Euro.

Am Bleicheröder Schiller-Gymnasium liegen die Bauarbeiten langsam aber sicher in den letzten Zügen. Für die Innensanierung wird man nun noch einmal 500.000 Euro in den Haushalt einstellen.

Auch bei Entscheidung Nummer Drei drehte es sich um Investitionen im Bildungsbereich: die Sanierung der Grundschule Sollstedt soll rund 2,26 Millionen Euro kosten.
Angelo Glashagel