Anregung für ein Debatte

Grundgesetz-Verfassung-Volksbefragung...

Montag
25.07.2022, 13:19 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
In den zurückliegenden 30 Jahren gab es immer wieder Meinungen in der Öffentlichkeit die sich mit der Frage beschäftigten, sollen sich die "Regierenden", also die demokratisch gewählten Abgeordneten im Deutschen Bundestag bei ihrer politischen Meinungsbildung auch an der Meinung des Souverän orientieren? Einfach gesagt, soll das Volk bei wichtigen Entscheidungen die Deutschland betreffen gefragt werden? nnz-Leser Wolfgang Jörgens regt dazu eine Debatte an...

Außenansicht des heutigen Museum zur "Geschichte des Grundgesetz" (Foto: W. Jörgens) Außenansicht des heutigen Museum zur "Geschichte des Grundgesetz" (Foto: W. Jörgens)
Um es vorweg zu nehmen, eine solche "Volksbefragung" als Ausdruck einer direkten Demokratie ist im Grundgesetz, anders als in der Verfassung der Schweiz, nicht vorgesehen. Daraus ergibt sich eine weitere Frage, möglicherweise von allgemeinem Interesse, was bedeuten öffentliche Umfragen zu wichtigen Themen die unser Land betreffen? Auch aus lokaler Betrachtungsweise.

So hat es in der NNZ von Januar 2022 bis Anfang Juli immerhin zehn Umfragen zu Themen wie: "Sind Sie dafür, dass unser Grundgesetz durch eine Verfassung gemäß Artikel 146 abgelöst wird?", wobei sich 88,3 Prozent der Befragten dagegen entschieden haben (immerhin haben 4.657 NNZ-Leser ihre Stimme abgegeben), bei einer weiteren Frage - was sei besser?, "Grundgesetz oder Verfassung" haben sich 843 NNZ Leser mit 44,0 Prozent und 44,2 Prozent entschieden. Dabei ist sehr interessant die Frage nach einer Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger "zu Volksabstimmungen analog der Verfassung der Schweiz". Mit 92,9 Prozent der 2.113 abgegebenen Stimmen haben sich die Leser der NNZ dafür entschieden.

Also ist das Interesse, seine Meinung zu wichtigen Fragen die unser Deutschland betreffen sagen zu wollen, recht stark ausgeprägt. Fragen, die im besagten Zeitraum in der NNZ gestellt wurden waren neben dem Thema Grundgesetz/Verfassung folgende: "Wem vertrauen Sie im Ukrainekonflikt mehr?"; "Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine nach Muster 2015?"; "Lt. Herrn Gauck - frieren für den Frieden?"; "Vernachlässigung wichtiger Themen die Deutschland betreffen durch die Ampelregierung?"; "Waffenleiferung an die Ukraine?"; "Nutzung von Brachflächen zum Getreideanbau?"; "Vertrauen in das Krisenmanagement der Ampelregierung?".

An der Beantwortung der Fragen nahmen im besagten Zeitraum immerhin 20.887 Leserinnen und Leser der NNZ teil. Jetzt könnte jemand auf die Idee kommen, das sind lokale Umfrageergebnisse. Aber zu solchen überregionalen, bedeutsamen Themen für unser Land wie zum Beispiel die "Euroeinführung", Entscheidungen zur Flüchtlingskriese aus 2015, Beschlüsse zur "Energiewende" oder jüngst zum Thema "Aufnahme von Migranten in unser Sozialsystem-ohne nähere Prüfung" hätten die Bürgerinnen und Bürger gern, analog "Volksbefragungen in der Schweiz" ihre Meinung gesagt.

Diese direkte Demokratie ist in unserem "Demokratischen Rechtsstaat" auf Bundesebene gemäß Grundgesetz auch nach 30 Jahren der Vereinigung beider Deutscher Staaten nicht vorgesehen. Wenn man der Frage nach dem "Warum?" nachgehen möchte, muss man an die "Wurzeln des Grundgesetzes", in das Museum im Augustiner Chorherrenstift "Herrenchiemsee" "eintauchen".

Damalige Ziele der CDU zu "Gesamtdeutschland" (Foto: W. Jörgens) Damalige Ziele der CDU zu "Gesamtdeutschland" (Foto: W. Jörgens) Hier wurde im Zeitraum vom 10. August 1948 an 13 Tagen unter dem Titel "Verfassungs-Konvent" das Grundgesetz, nach ausdrücklicher Forderung der Alliierten (USA, England, Frankreich), als "Regelwerk" für einen Teil Deutschlands und als politische Übergangsregelung erarbeitet. "Möge das Werk dem Wohle des deutschen Volkes dienen", so war es am 24. August 1948 von den Teilnehmern am Konvent ratifiziert worden. Enden sollte diese "Übergangs-Regelung" zu dem Zeitpunkt an dem sich das Deutsche Volk nach Wiedervereinigung durch freie Selbstentscheidung eine Verfassung gibt. Das besagt ganz aktuell der Artikel 146 Grundgesetz:

"Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist."

Nicht unerwähnt soll bleiben, dass lt. 5.4 "Im Streit der Meinungen" eines Protokollteiles folgendes festgeschrieben wurde: "Der Verfassungskonvent ist von seinen Kritikern als abgehobener Expertenplausch, als Idyll unter Buchen abgetan worden. Thomas Dehler sprach von einer "lebensfremden Theaterattrappe", die man errichtet habe. Auch weiten Teilen der Bevölkerung schienen - soweit sie die Tätigkeit des Konvents überhaupt zur Kenntnis nahmen - die Beratung auf der Herreninsel zu abgehoben und entfernt von den Alltagssorgen der Bevölkerung." (Eine Karikatur in der damaligen Presse brachten die "Meinung" bildlich zum Ausdruck) Was ist nun aus dem Grundgesetz im Ergebnis des "Verfassungskonvent" aus 1948 geworden?

Der aufmerksame Betrachter wird feststellen, an der "Übergangsregelung" wird je nach "Parteienpolitik", ergänzt, gestrichen, erweitert oder durch Verordnungen "angepasst". So auch aktuell durch die "Ampelregierung". In 2001 hat Urs Bernetti unter dem Titel "DAS DEUTSCHE GRUNDGESETZ - EINE WERTUNG AUS SCHWEIZER SICHT" auf "dreieinhalb Dutzend Änderungen" nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 23. Mai 1949 verwiesen. Im Vergleich zur Verfassung der Vereinigten Staaten vom 17. September 1787 kommt er zur Feststellung, "Diese Verfassung wurde bis heute, in über zweihundert Jahren, nicht ein einziges Mal geändert. Was immer in ihr steht: es war für "ewige Zeiten" angelegt."

Heute schreiben wir 2022, urteilen Sie selbst, wie unser Grundgesetz "bearbeitet und angepasst" wurde. Ohne den Souverän in diesen Prozess als möglichem Ausdruck einer direkten Demokratie nach "Schweizer Vorbild" einzubeziehen. Immerhin haben sich 92,9 Prozent der Leser der NNZ dies am 14. Juni 2022, Ende der Leserfrage, gewünscht. Ein eindeutiges Votum für demokratische Volksentscheide bei wichtigen Fragen, die unser Land betreffen.

Offen bleibt die Frage, warum lehnen die Parteien im Deutschen Bundestag auch nach "Vereinigung von BRD und DDR" zur heutigen BRD die direkte Einbeziehung des Souverän ab? Um diese Frage auch nur annähernd zu beantworten, wäre es eines weiteren "Versuches" wert.
Wolfgang Jörgens