Hoher Besuch beim Vorzeigeprojekt der WBG

Stadt - Land - Zukunft

Donnerstag
21.07.2022, 19:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Wie kann die moderne „Stadtflucht“ und das schleichende Aussterben des ländlichen Raumes noch verhindert werden? Diesen Fragen geht man seit geraumer Zeit auch im Infrastruktur-Ministerium nach. Dessen Spitze weilte heute in Nordhausen, unter anderem um den Vorzeigebau der WBG in Augenschein zu nehmen…

Miniterieller Besuch am "Green One" (Foto: agl) Miniterieller Besuch am "Green One" (Foto: agl)


Das „Green One“ des Wohnungsbaugenossenschaft Südharz in der Nordhäuser Innenstadt, hat seit seiner Eröffnung einige Aufmerksamkeit erhalten, zuletzt zum „Tag der Architektur“. Heute nun hatte sich hoher Besuch aus Erfurt angekündigt, Susanne Karawanskij, Ministerin für Infrastruktur und Landwirtschaft, schaute auf ihrer „Sommertour“ vorbei, um sich das außergewöhnliche Projekt anzusehen.

Im Fokus der öffentlichen Wahrnehmung steht dabei natürlich die Fassadenbegrünung auf 225 Quadratmetern Fläche und die dahinterstehende Technik und Bauweise. Im Ministerium, welches den Bau mit mehreren Millionen Euro unterstützt hatte, interessiert man sich aber auch für die soziale Komponente, denn den Vorgaben nach soll der moderne Bau im Herzen der Stadt nicht allein für Wohlhabende erschwinglich sein.

Das „Green One“ gilt als „sozialer Wohnungsbau“, wobei die Realitäten der letzten Jahre dem Ideal einiges abverlangt haben. Ursprünglich war angedacht, für die Wohnfläche einen Quadratmeterpreis von etwas über fünf Euro zu verlangen, aktuell liegt die WBG bei 6,65 pro Quadratmeter. Hintergrund für die Erhöhung waren unter anderem steigende Baukosten, die während der Bauphase über das gewohnte Maß hinausgeschossen waren und den geplanten Preis von rund 3,5 Millionen Euro auf etwa 4,6 Millionen Euro steigen ließen. „Wir konnten das Dank unserer Größe stemmen“, berichtet WBG-Chef Sven Dörmann am Mittag, eine kleinere Projektgesellschaft hätte sicher Insolvenz anmelden müssen. Die günstigeren Mieten bietet man als Ausgleich an anderen Objekten in der Nähe an. Im Ministerium sieht man diese "Belegungsbindung" kritisch, da die Förderung zum Ziel habe für eine soziale Durchmischung in den Wohngebieten zu sorgen. Die habe man trotzdem erreicht, meint Dörmann, im „Green One“ hätten „vom Kellner bis zum Rentner“ Menschen aller Art neuen Wohnraum gefunden.

Über die Massentauglichkeit des Vorzeigeprojektes gibt man sich indes weder in Erfurt noch in Nordhausen Illusionen hin: so wie hier gebaut wurde, geht es nur mit Fördermitteln. Demgegenüber steht als Ausgleich der Erkenntnisgewinn zur innovativen Bauweise. „In der Breite ist das sicher noch zu teuer aber wir haben hier einen experimentellen Bau, von dem wir viel lernen können. Der Trend geht in diese Richtung und in ein paar Jahren wird so etwas auch ökonomisch darstellbar sein“, meint Dörmann.

Zur Begrüßung gab es von Ministerin Karawanskij einen Setzling aus der Baumschule Breitenworbis (Foto: agl) Zur Begrüßung gab es von Ministerin Karawanskij einen Setzling aus der Baumschule Breitenworbis (Foto: agl)


In Nordhausen ging es für die Ministerin und ihre Entourage weiter nach Nordhausen Nord, auch hier hat die WBG im Aueblick mit Unterstützung aus Erfurt investiert. Zuvor weilte man in Sondershausen, um sich über die Sanierung des Rathauses und die Zukunft des Bahnhofsquartiers zu informieren. Im Eichsfeld besuchte man die Forstbaumschule Breitenworbis und ein Start-Up, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Thüringer Stallluft von lästigen Gerüchen und Methangas zu befreien und in Artern wird man die Umleitungsprojekte in Augenschein nehmen. Im Zentrum der Sommerreise unter dem Motto „Stadt - Land - Zukunft“, stehe die Aufgabe, im ländlichen gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen und dem Bewohnerschwund Einhalt zu gebieten, hieß es am Mittag in Nordhausen. Die Definiton vom „ländlichen Raum“ ist dabei weit gefasst, aus Erfurter Sicht zählen 90 Prozent des Freistaates in diese Kategorie, ausgenommen Jena und Erfurt, wobei mancher Fachmann auch in diesen Fällen noch diskutieren könne. Und so fällt auch das „Green One“ im Herzen der Kreisstadt unter das Label „ländlicher Raum“.

Und der wird sich in Zukunft ändern müssen, sei es nun in der Bauweise neuer Gebäude, im energetischen Fußabdruck oder in der Infrastruktur, die es auch im letzten Winkel heute braucht. Die ökologische Bauweise, wie sie der WBG-Bau vorgemacht hat, werde dabei eine größere Rolle spielen, heißt es aus dem Ministerium, gut möglich also, dass es nach dem „One“ vielleicht in Zukunft noch ein „Two“ oder „Three“ geben wird.
Angelo Glashagel