Verwirrung um neuen Jugendförderplan

Eins, zwei oder Drei?

Mittwoch
13.07.2022, 13:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Alle fünf Jahre werden im Kreis die Planungen zur Jugendarbeit überarbeitet. In diesen Tagen ist es wieder soweit, man hat der Jugend auf den Zahn gefühlt und die Vorgaben von Amts wegen angepasst. Mit den Änderungen sind aber nicht alle Beteiligten glücklich und das hat zu einigen Verstimmungen geführt...

Im letzten Kreistag wurde der neue Jugendförderplan nur in erster Lesung behandelt, scheinbar lagen zwischenzeitlich zwei Varianten vor von denen nur eine aus dem zuständigen Amt stammte (Foto: agl) Im letzten Kreistag wurde der neue Jugendförderplan nur in erster Lesung behandelt, scheinbar lagen zwischenzeitlich zwei Varianten vor von denen nur eine aus dem zuständigen Amt stammte (Foto: agl)


Seit Monaten bastelt man im Jugendamt der Kreisverwaltung und dem zuständigen Jugendhilfeausschuss am neuen Jugendförderplan. Die Interessen und Bedürfnisse der Zielgruppe, also den Kindern und Jugendlichen im gesamtem Kreisgebiet, sollte dabei Rechnung getragen werden. Nach über einem Jahr an Beratungen, Befragungen und Diskussionen sollte der fertige Plan beim letzten Kreistag zur Abstimmung gestellt werden. Doch was da auf der Tagesordnung stand, war nicht der Plan, den man im Amt und im Ausschuss besprochen hatte.

Was lange währt
Doch zunächst zur Vorgeschichte. Vor fünf Jahren, zur Aufstellung des letzten Förderplans, hatte man das in Zusammenarbeit mit der Hochschule eine breit angelegte Umfrage auf den Weg gebracht, um den Kindern- und Jugendlichen auf den Zahn zu fühlen. Die Ergebnisse waren einigermaßen umwälzend, die Arbeit in festen Jugendeinrichtungen und über Projekte wurde deutlich zurückgefahren um im Gegenzug mobile Angebote zu stärken. Zwischen 2010 und 2017 dominierte die Arbeit in Einrichtungen mit etwa 65 Prozent deutlich, ab 2018 wurde sie stark gestutzt und machte nur noch 32 Prozent aus. Die mobilen Angebote, also die „Bereichsjugendpflege“, die auch dahin kommen soll, wo für den Nachwuchs sonst nicht mehr viel geboten werden kann, sprang von einem mickrigen Prozent auf 32 Prozent. Außerdem wurde die Verbandsarbeit gestärkt.

Im Jugendamt verbucht man das Ergebnis als Erfolg. „Das ganze war ein Experiment und das hat sich unterschiedlich entwickelt. Wie gut das funktioniert hängt stark davon ab, ob die Leute vor Ort einen guten Draht zu den Jugendlichen aufbauen können und im Großen und Ganzen hat das gut funktioniert“, sagt Stefan Nüßle, man sei überzeugt, dass der Ansatz in der Fläche angekommen sei.

Anfang vergangenen Jahres begann man nun mit den Vorbereitungen für die nächste Überarbeitung. Statt einer breit gestreuten aber, in der Einschätzung des Jugendamtes, eher oberflächlichen Befragung wollte man tiefer in die Materie gehen. Insgesamt wurden 666 Schülerinnen und Schüler nicht nur befragt, sie konnten ihre Wünsche und Vorstellungen auch in vertiefenden Workshops formulieren und vorbringen.

Über 660 Jugendliche wurden von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes zu ihren Vorstellungen und Wünschen befragt (Foto: Pressestelle Landratsamt Nordhausen) Über 660 Jugendliche wurden von den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen des Jugendamtes zu ihren Vorstellungen und Wünschen befragt (Foto: Pressestelle Landratsamt Nordhausen)

„Das Ziel war am Ende eine hochwertige Befragung zu haben. Dazu waren wir mit drei Kollegen an den Schulen und haben persönlich mit den Kindern und Jugendlichen gesprochen um ein Stimmungsbild zu bekommen.“, berichtet Dustin Hoffmann, der die Befragungen im Haus koordiniert hat. Das Ergebnis bestätige noch einmal die Befragung aus 2017. Generell bestehe ein Wunsch nach mehr Autonomie. „Es gibt Orte, da wird man nicht viel mehr brauchen als ein Dach über dem Kopf, den man gestalten kann, ohne gestört zu werden und andere zu stören. Die mobile Arbeit soll da einen Ansprechpartner und auch Fürsprecher bieten aber im Kern geht es um mehr Selbstverwaltung, um kleine Budgets mit denen man vor Ort auch einmal etwas unkompliziert auf die Beine stellen kann. Jugendarbeit soll zur Selbstwirksamkeit befähigen und die Entwicklung selbstständiger Persönlichkeiten fördern. Außerdem bekommt das Jugendhilfesystem dadurch einen Fuß in die Tür“, so Hoffmann.

Am Besuch von Einrichtungen wie den klassischen Jugendclubs bestehe hingegen noch weniger Interesse als 2017, wobei die Corona-Pandemie hier ihr übriges getan haben könnte. Entsprechend sieht der Plan vor, die Förderung von festen Einrichtungen weiter zurückzufahren und den mobilen Ansatz in den Bereichen Nordhausen, Bleicherode, Ellrich und Heringen weiter zu stärken, wobei die Umwälzungen aber weit weniger signifikant ausfallen, als 2017. Allerdings entfällt für einige Einrichtungen und Projekte die Förderfähigkeit, während andere mehr Aufmerksamkeit erhalten, die sich während der schwierigen Pandemiezeit durch Präsenz und Engagement hervorgetan haben, erläutern Nüßle und Hoffmann im Gespräch mit der nnz, darunter etwa der Zirkus Zappelini, der Kinder-Kirchen-Laden, die Jugendkunstschule und die Herzschlag-Kirche.

Wir sind nicht dazu da, Strukturen zu erhalten
Die angedachten Änderungen finden nicht überall Zustimmung, wobei Nüßle darauf pocht, dass es nicht Aufgabe von Amt und Ausschuss sei, alte Strukturen zu erhalten und die Träger der Jugendarbeit zu bedienen. Mit dem Wandel der Zeit ändern sich auch die Interessen der Zielgruppe, also müsse man den Fokus entsprechend anpassen.

Aber es sind nicht nur einzelne Träger und Einrichtungen, denen die Überlegungen nicht gefallen. Im Nordhäuser Stadtrat etwa verwahrte man sich gegen eine Änderung der Förderstruktur und gab auch eine entsprechende Stellungnahme ab. Einrichtungen, die im Förderplan nicht mehr berücksichtigt würden, wolle man weiter betreiben.

Im letzten Kreistag sollte nun über den neuen Jugendförderplan abgestimmt werden, das Thema wurde dann aber doch nur in erster Lesung behandelt. Im Trubel des Kreistages, zur Erinnerung: es gab eine ungewöhnliche dramatische Wahl, wäre das fast untergegangen. Grund für die neuerliche Verschiebung war der Umstand, das hier scheinbar ein zweiter Förderplan auf der Tagesordnung stand, nicht das Werk des Jugendamtes und des zuständigen Ausschusses.

Nach rund anderthalb Jahren Arbeit und über 40 Treffen, Beratungen und Ausschusssitzungen reagierte Letzterer entsprechend verschnupft. Am vergangenen Montag kam man erneut zusammen um über den Vorgang im nicht-öffentlichen Teil zu beraten. Ein Gefühl der Stimmungslage ließ sich aber noch im öffentlichen Teil erhaschen.

Die Entscheidung, wohin die Gelder für die Jugendarbeit fließe, gehöre zu den Kernaufgaben des Ausschusses, sagte dessen Vorsitzender, Alexander Scharff. Man habe in Zusammenarbeit mit dem federführenden Amt viel Zeit und Mühe investiert. Was jetzt passiert sei, gehe "gar nicht". "Der Ausschuss ist zuständig, nicht andere Stellen im Haus. Wir machen ja auch nicht die Verkehrsplanung“, so Scharff weiter, der Vorgang zeige dass der Prozess nicht in verdientem Maße gewürdigt würde.

Plan Eins, Zwei oder Drei?
Bei der Vorlage, die im Kreistag zur Abstimmung stand, habe es sich nicht um einen zweiten Plan gehandelt, erklärt Landrat Jendricke auf Anfrage der nnz, vielmehr habe er veranlasst, dass die Änderungswünsche der Stadt Nordhausen zeitnah eingearbeitet werden sollten. Im Jugendamt hätte sich der Prozess aufgrund einer Abwesenheit im Fachbereich verzögert.

Änderungen habe es auf vier, vielleicht fünf Seiten gegeben, sagt Jendricke. „Die Stadt Nordhausen möchte ihre eigenen Zentren weiter finanzieren und in der vollen Bewirtschaftung lassen. Ich kann die Entscheidung durchaus nachvollziehen, die teilweise Selbstverwaltung wie sie der Förderplan vorsieht ist in der Stadt nicht in dem gleichen Maße möglich, wie in kleineren Kommunen. Die Selbstkontrolle hat da noch mehr Bindungskraft, als in einem Stadtteilzentrum. Außerdem befindet sich der Kreis hier nicht in einem Drei-Ecks-Verhältnis, uns liegt eine Finanzierungszusage der Stadt vor, also sind allein die Stadt Nordhausen und die Träger im Boot.“ Die Vorlage sollte das widerspiegeln, was verhandelt wurde, Auslagen und Stellungnahmen gebe es schließlich nicht ohne Grund.

Reibungspotential hat die Causa Fördeplan kurz vor der Sommerpause dennoch. Im Ausschuss sei man „sehr unzufrieden mit dem Verfahren“, sagte Scharff am Montag. „Der Konflikt ist jetzt da aber wir hoffen eine Lösung zu finden, die den festgestellten Bedarfen gerecht wird und zu einem Kompromiss mit der Stadt führt“. Zeit dafür bleibt nun erst einmal, der Kreistag wird erst Ende September wieder zusammentreten.
Angelo Glashagel