Faktencheck

Helios forciert Clusterbildung in Mansfeld-Südharz

Freitag
08.07.2022, 20:20 Uhr
Autor:
nis
veröffentlicht unter:
Helios wird seine Standorte im Landkreis Mansfeld-Südharz hin zu einem Gesundheitsnetzwerk mit hoher medizinischer Expertise entwickeln. Über die Beweggründe und Hintergründe informieren Klinikgeschäftsführer Mario Schulter und Dr. med. Jan Phenn, Ärztlicher Direktor und Chefarzt der Unfallchirurgie und Orthopädie in der Helios Klinik Sangerhausen...

Ende Mai hat Helios verkündet, die Standorte Sangerhausen, Lutherstadt Eisleben und Hettstedt künftig in einem Cluster zusammenzuführen und als standortübergreifendes Gesundheitsnetzwerk weiterzuentwickeln. Mit dieser Strukturveränderung beabsichtigt Helios, standortübergreifende, medizinische Synergien künftig weiter zu optimieren und Gesundheitsangebote enger zu verzahnen.

Veränderte Bedürfnisse von Patienten


„Wir wollen auch in Mansfeld-Südharz das Denken in Standortgrenzen nachhaltig auflösen und so unsere Potenziale im Sinne eines Gesundheitsnetzwerkes besser nutzen. Und das ist auch nötig, denn wir werden seit mehreren Jahren mit anhaltend rückläufigen Patient:innenzahlen konfrontiert. Im Umkreis unserer Klinikstandorte herrscht zudem ein Überangebot an stationären Leistungen. Auch beschleunigt durch die Corona-Pandemie, verzeichnen wir an den Standorten Sangerhausen, Lutherstadt Eisleben und insbesondere in Hettstedt einen deutlichen Einbruch der Patient:innenzahlen. Dieser Trend zeichnet sich auch vor dem Hintergrund veränderter Bedürfnisse von Patienten ab, auf den wir entsprechend reagieren wollen“, sagt Klinikgeschäftsführer Mario Schulter.

Mehr Transparenz in Diskussion


Seit Verkündung der Strukturveränderung an den drei Standorten der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz nimmt der öffentliche Diskurs zur Versorgung im Landkreis zu. „Das hatten wir erwartet und verstehen an einigen Stellen die Verunsicherung der Menschen im Landkreis. Daher möchten wir uns proaktiv in die Diskussionen einbringen und veröffentlichen nachfolgend unsere Analysen sowie unsere Antworten auf die häufigsten Fragen“, so der Klinikgeschäftsführer weiter.

Wie viele Patienten werden aktuell an den Standorten der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz versorgt?

Dr. med. Jan Phenn: Wir verfügen am Standort Sangerhausen über eine Gesamtbettenzahl von 273 und in Lutherstadt Eisleben von 236. In Hettstedt sind es 286, wobei 75 davon dem Fachbereich der Psychiatrie und Psychotherapie vorbehalten sind. Insgesamt sind es also mit Stand heute 795 Betten, die wir an allen Standorten der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz vorhalten.

Im Zeitraum Januar bis Juni 2022 lag die tatsächliche Bettenauslastung in der Somatik an den Standorten Sangerhausen und Lutherstadt Eisleben täglich im Durchschnitt bei knapp 50 %, in Hettstedt hingegen bei nur rund 27 %. Knapp die Hälfte (44 %) der gegenwärtig in Hettstedt stationär behandelten Patient:innen entfallen dabei allein auf den Fachbereich Psychiatrie und Psychotherapie.


Wie viele Patienten werden täglich in den jeweiligen Notfallaufnahmen der drei Standorte versorgt?

Dr. med. Jan Phenn: Im Zeitraum Januar bis Juni 2022 wurden in den Notfallaufnahmen der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz im Durchschnitt 50 Patienten am Tag versorgt und stationär aufgenommen. Davon entfallen ca. 25 % auf Hettstedt.

Woher kommen die Patienten der Kliniken? Was sind die Einzugsgebiete der jeweiligen Standorte?

Mario Schulter: Wir haben uns die Top 10-Einzugsgebiete aller stationären und teilstationären Patienten unserer drei Standorte angesehen. Die Analysen zeigen deutlich, dass sich Patienten schon gegenwärtig für die Klinikstandorte im Landkreis entscheiden, in denen sie eine spezialisierte Versorgung vorfinden. Patienten setzen auf Qualität und vertrauen auf eine Behandlung auf medizinischem Top-Niveau. Durch die Spezialisierung unserer Standorte mit regionalen Schwerpunkten wollen wir ihnen genau das bieten.

Das Einzugsgebiet der Helios Klinik Hettstedt umfasst zu weniger als einem Drittel (29 %) das direkte Stadtgebiet Hettstedt, gefolgt von Mansfeld, Arnstein, Gerbstedt und Aschersleben. Psychiatrische Patienten hingegen kommen nicht nur aus der direkten Umgebung, sondern aus dem gesamten Bundesland.

Die Helios Klinik Lutherstadt Eisleben hat ihr Einzugsgebiet zu rund einem Drittel (36 %) aus dem direkten Stadtgebiet der Lutherstadt Eisleben. Es folgen das Seegebiet Mansfelder Land, Helbra, Hettstedt und Sangerhausen. Ferner werden vor allem Patienten aus den Gemeinden zwischen Lutherstadt Eisleben und Hettstedt durch die geringe Entfernung zum Standort wohnortnah versorgt.

Die Helios Klinik Sangerhausen ist einer der größten Versorger im Landkreis mit starker Präsenz im Stadtgebiet (Anteil 37 %). Auch Patienten aus dem Süden und Osten des Landkreises zieht es in die Klinik. Allstedt, Lutherstadt Eisleben und Südharz folgen direkt auf Sangerhausen. Auch Patienten aus den Gemeinden in den Zwischengebieten (z. B. in der Harz-Region) werden hier ebenfalls wohnortnah versorgt.


Welche Veränderung der Anreisezeit bringen die Strukturveränderungen für Patienten aus Hettstedt mit?

Mario Schulter: Nach Bewertung der Einzugsgebiete wird ersichtlich, dass ca. 29 % der Patienten am Klinik-Standort Hettstedt direkt aus dem Stadtgebiet kommen. Für sie erhöht sich die Wegstrecke je nach Wohnlage von derzeit rund 5 Minuten auf etwa 15 Minuten in die nächst gelegene Notfallaufnahme. Für die umliegenden Regionen bleibt die Fahrtstrecke von Patient:innen zum nächsten Grundversorger mit Notfallaufnahme vergleichbar.

Mit Hilfe des GKV-Simulators kann berechnet werden, inwiefern Wegstrecke und Fahrzeiten zum nächsten Grundversorger bei möglichen Strukturveränderungen beeinflusst werden.
In Hettstedt wird in diesem Fall von einer PKW-Fahrzeit von durchschnittlich 13,7 Minuten (statt bisher 10,9 Minuten) zum nächstgelegenen Grundversorger mit Notfallaufnahme ausgegangen. Diese befinden sich in Lutherstadt Eisleben (Landkreis Mansfeld-Südharz, Betreiber Helios; Entfernung Stadtmitte HET – Klinik: 15,2 km) und Aschersleben (Landkreis Aschersleben, Betreiber AMEOS; Entfernung Stadtmitte HET – Klinik: 16,7 km).


Wie viele Patienten können zum aktuellen Zeitpunkt an den drei Notfallstandorten gleichzeitig behandelt werden?

Dr. med. Jan Phenn: Die Behandlungskapazitäten der Notfallaufnahmen der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz hängen von unterschiedlichen Faktoren ab und sind daher nicht pauschal zu benennen.

In erster Linie entscheidet der Zustand der Patienten über die Dringlichkeit der Behandlung, diese wird anhand des Manchester-Triage-Systems bei der Ersteinschätzung beurteilt. Das Manchester-Triage-System ist ein standardisiertes Verfahren zur systematischen Ersteinschätzung von Patient:innen in Rettungsstellen und Notfallaufnahmen. Triage bezeichnet dabei die Methodik, den Schweregrad der Erkrankung bzw. der Verletzung innerhalb kurzer Zeit zu erkennen und mittels Kategorisierung eine Einstufung der Behandlungsdringlichkeit vorzunehmen.

Des Weiteren nehmen Tageszeiten und Wochentage Einfluss auf die Behandlungskapazitäten. Grundsätzlich ist eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung (24 h/365 Tage) in den Notfallaufnahmen der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz GmbH gewährleistet.

Die Verteilung von Notfallpatient:innen obliegt dem zuständigen Rettungsdienst. Mit der Nutzung des Interdisziplinären Versorgungsnachweises IVENA eHealth werden Patienten durch den Rettungsdienst zu dem nächstgelegenen, geeigneten – trägerübergreifenden – Versorger verteilt, um eine gleichmäßige, bedarfsgerechte Versorgung zu erreichen.


Wie hoch sind die aktuellen durchschnittlichen Wartezeiten in den drei Notaufnahmen? Haben Patienten bei Schließung der Notfallaufnahme in Hettstedt mit längeren Wartezeiten an den anderen Standorten zu rechnen?

Dr. med. Jan Phenn: Derzeit liegen die Zeiten bis zur Ersteinschätzung an allen drei Standorten der Helios Kliniken Mansfeld-Südharz im Mittel bei fünf Minuten pro Patient:in.

Durch die räumliche und personelle Erweiterung der Notfallaufnahme am Klinikstandort Sangerhausen sowie der bedarfsgerechten Anpassung der Kapazitäten in Lutherstadt Eisleben wird es auch nach Umsetzung der Umstrukturierungspläne zu keinen längeren Wartezeiten bis zur Ersteinschätzung der Erkrankungsschwere kommen.


Inwiefern führt die Umsetzung der Umstrukturierung zu einer Minderung der Anzahl der Gesamtbehandlungen pro Tag im Landkreis Mansfeld‐Südharz?

Mario Schulter: Vor dem Hintergrund anhaltend rückläufiger Patientenzahlen – beschleunigt durch die Corona-Pandemie – sind wir bestrebt, das Denken in Standortgrenzen nachhaltig auflösen und die Potenziale besser zu nutzen. Um die Prozesse und Strukturen zu verbessern sowie medizinische Angebote enger zu verbinden, werden die drei benachbarten Standorte Sangerhausen, Lutherstadt Eisleben und Hettstedt künftig als Cluster näher zusammengeführt und somit als standortübergreifendes Gesundheitsnetzwerk mit hoher medizinischer Expertise für komplexe und spezielle Behandlungen weiterentwickelt.

Die bestehenden Leistungen werden gemäß den Ansprüchen an eine moderne, qualitätsorientierte Patientenversorgung sowie den Anforderungen an die gesetzlich geforderten Mindestmengen konzentriert und die Strukturen sowie Prozesse im Verbund aller Standorte optimieren. Diese sektorenübergreifenden Synergien zwischen den Kliniken und Medizinischen Versorgungszentren sowie der Ausbau von Gesundheitsnetzwerken verbessern die Patientenversorgung und sichern im Landkreis Mansfeld-Südharz dauerhaft und nachhaltig eine fachärztliche Versorgung auf medizinischem Top-Niveau. Ein Beispiel hierfür ist das bereits im Januar 2022 neu gegründeten Kompetenzzentrum für Urologie, welches Patienten aus der Region des Harzvorlandes bis hin nach Nordthüringen eine hohe Fachkompetenz, erweiterte Kapazitäten, umfangreiche Diagnostik und zuverlässige Therapieangebote bietet. Die regionale Patientenversorgung im Bereich der Urologie wird dadurch nachhaltig und überregional gestärkt.

Die Anzahl an zu versorgenden Patienten und die korrespondierenden Behandlungsmöglichkeiten werden dabei in keiner Weise eingeschränkt.