Nordhäuser SPD gibt sich kämpferisch

Bitte oszillieren Sie

Mittwoch
15.06.2022, 15:04 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Lange konnten die Nordhäuser Genossen nicht zusammengekommen, erst gestern Abend, gute zwei Jahre nach der letzten, ordentlichen Versammlung, lud die SPD wieder zum Kreisparteitag und da gab es viel aufzuarbeiten und dafür wurden mitunter deutliche Worte gewählt…

Im Begegnungszentrum in Wülfingerode gab sich die SPD gestern Abend kämpferisch (Foto: agl) Im Begegnungszentrum in Wülfingerode gab sich die SPD gestern Abend kämpferisch (Foto: agl)


Was ist zu den letzten beiden Jahren nicht schon alles gesagt worden. Wie dem Land und seinen Menschen erging es auch der SPD im Großen wie im Kleinen. Auf Lichtblicke folgten Tiefschläge, gefolgt von neuen Höhen und neuen Enttäuschungen. Seit ein paar Monaten nun grünt im Tale wieder Hoffnungsglück, auch bei den Genossen. Man könne wieder Wahlen gewinnen, dass habe der Urnengang im Bund gezeigt, meinte Thüringens Innenminister Georg Maier und gab sich kämpferisch. Zwar treibe der Bundestrend nicht mehr so und es wäre sicher besser gewesen, man hätte in Thüringen schon eine Landtagswahl gehabt, vielleicht hätte man dann gar die Führung im Freistaat übernehmen können, aber auch jetzt sollten die Genossinnen und Genossen am Glauben festhalten und ihrer Partei bei den kommenden Wahlen den Rücken stärken. Dass die SPD mit dem letzten Urnengang nicht wirklich gute Erinnerungen verbinden kann, das müsse nichts heißen.

Und so oszillieren die Genossen gestern Abend zwischen zwei Polen - den Hürden der Vergangenheit und einer gloriosen Aufholjagd, die noch zu unternehmen ist. Die Pandemie sei hoffentlich überwunden, wird Maier sagen, man müsse optimistisch bleiben. Mit dem Krieg in der Ukraine hätten sich soziale Fragen ergeben, die man sich nicht habe vorstellen können, was aber auch heiße, dass die SPD nun aufgerufen ist, sich „stark zu machen“.

Ähnlich schwingend verläuft der Rückblick der Kreisvorsitzenden Anika Gruner. Die Landratswahl mit Matthias Jendricke an der Spitze war ein Erfolg, die letzte Kreistagswahl hingegen verlief weniger glücklich und auch ihr Landtagsmandat verloren die Nordhäuser Genossen, mussten zwischenzeitlich sogar um den Erhalt des regionalen Büros bangen, konnten aber letztlich auf das beste Ergebnis ihrer Partei in Thüringen verweisen. Hinzu kommen interne Reibereien, ob nun auf Landesebene oder im Kleinen vor Ort. Die Stadt-Genossen in Nordhausen etwa entzogen Bürgermeisterin Jutta Krauth ihre Unterstützung, dafür sitzt nun mit Alexandra Rieger eine neues sozialdemokratisches Gesicht im Nordhäuser Rathaus. Man dürfe auf die Oberbürgermeisterwahl im nächsten Jahr gespannt sein, sagt Gruner, „da hätten wir eine Chance. Da haben wir eine Chance.“ Hier Licht, dort Schatten, dort Hoffnung.

Gehofft hatte auch Landrat Matthias Jendricke, auf ein Ende der anhaltenden Krisen seit 2015, doch kaum schien es so, dass Corona im Rückspiegel verschwindet, da beginnt der Ukraine-Konflikt. Der Zwiespalt des Krieges zieht sich auch durch die Nordhäuser SPD. Während einige Genossen Waffenlieferungen an die Ukraine eher ablehnend gegenüberstehen oder sie zumindest kritisch sehen, sind Maier und Jendricke überzeugt, dass man die russische Aggression nicht unbeantwortet lassen könne. Denen, die sich nicht an die Regeln halten, müsse man die Rote Karte zeigen, sagt der Nordhäuser Landrat und meint damit nicht nur die Russen. Es sei an der Zeit, mit den „Träumereien“ aufzuhören und sich der Realität zu stellen, das gelte auch für Krieg und Frieden.

Beiden Seiten einig ist die Sorge, das der Krieg nicht in der Ukraine halt macht und für beide Standpunkte gibt es Applaus aus den Reihen der versammelten Mitglieder. Maier spricht von einem „verbrecherischem Überfall“ einer Autokratie, wenn nicht gar Diktatur, auf ein demokratisches Land. Der SPD-Kanzler Olaf Scholz mache es sich nicht leicht mit dem Thema umzugehen, doch wenn es darum gehe die Demokratie zu verteidigen, solle man Waffen liefern, meint Maier. Man sei Mitten in einer Zeitenwende und zur Verantwortung der Sozialdemokratie gehöre es auch, die Folgen des Krieges für sozial schwache Menschen abzufedern, nicht nur an der Zapfsäule, sondern auch beim Bäcker oder Fleischer.

Der Innenminister führt in der Folge seine Genossen weiter durch das politische Buffett dieser Tage - das Verhalten der Ölmultis in Sachen Tankrabatt sei eine „Ungeheuerlichkeit“ und „himmelsschreiende Ungerechtigkeit“, der bröckelnde gesellschaftliche Zusammenhalt der letzten Monate habe aufgezeigt das man sich in einer tiefen Krise befinde, die man nicht ignorieren könne, die Schwarze Null müsse wieder zur Diskussion gestellt werden und schließlich sei es nach 30 Jahren an der Zeit, die Ungleichheiten zwischen West und Ost endlich zu beheben.

Viele Worte des Lobes hatte Maier auch für Tobias Tressel übrig. Der gehört zwar nicht zur SPD, kandidiert für die anstehende Bürgermeisterwahl in Sollstedt aber über der Liste der Genossen. Tressels Programm zeige, dass man sich mit den Menschen im Alltag beschäftigen müsse, mit dem Erhalt des sozialen Lebens. „Wenn es um die Macht geht wird die CDU nicht lange Fragen, die sind an der Stelle nicht echt. Wir haben immer einen klaren Kurs gefahren, auch bei den Neuwahlen, bei der Abgrenzung nach Rechts und im Kampf für die Demokratie“, sagt Maier. Wenn es gelingt am Menschen zu bleiben, dann gewinne man auch Wahlen.

Jendricke findet deutlichere Worte. Manches mal hat sich der Nordhäuser Landrat in den letzten Jahren an der Landesregierung und seiner Partei gerieben, entsprechend herb fiel denn gestern auch seine Bestandsaufnahme aus: im Moment sei die SPD eine „Lahmarschpartei“. Man müsse den Anspruch erheben, bei der nächsten Wahl vor den Linken zu stehen. „Eine Koalition mit Bodo kann man unterstreichen, der ist Realpolitiker, der kennt das Land aber der will eigentlich nicht mehr und hinter ihm kommt bei den Linken nichts mehr.“, mahnt Jendricke. Es sei die SPD, die in den kommunalen Gremien des Freistaates mit Bürgermeistern und Landräten, mit erfahrenen Leuten vom Fach vertreten sei.

Wenn man ihm so zuhört, könnte man meinen es ist Jendricke, der sich hier um höhere Weihen bewirbt, aber nein, er wolle Landrat bleiben, versichert der. Es müsse vielmehr Georg Maier zum Spitzenkandidaten der SPD für 2024 gemacht werden. „Dahinter muss die Fraktion kämpfen und einmal nicht nach Lagerformationen schauen. Dann können wir einen Grundstein für Mehrheitsverhältnisse legen, mit denen man regieren kann, aber das braucht eine klare Strategie.“ Georg Maier werde kämpfen, versichert Jendricke, von seiner Partei erwarte er aber in Zukunft „mehr Schlagkraft“ und mehr Selbstbewusstsein.

Der Versuch, Optimismus und Energie zu versprühen, er ist den gestrigen Rednern nicht zu nehmen. Ob aber das grüne Hoffnungspflänzchen im Tale auch erblühen wird oder doch zum wiederholten Male verdorrt, darüber kann man in diesen volatilen Zeiten kaum spekulieren.
Angelo Glashagel