1000-Meter-Abstand in Thüringen kommt - vorerst

Der Kampf gegen die Windmühlen

Mittwoch
08.06.2022, 16:45 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Zu den berühmtesten Episoden der Weltliteratur zählt das Kapitel aus der Feder des Miguel de Cervantes, in dem Don Quichote, der tragikomische Ritter von der traurigen Gestalt, sich anschickt auf seinem treuen Gaul Rosinante gegen Windmühlen zu kämpfen, die sich ihm frech entgegenstellen...

Am Ende verfehlt der Romanheld sein Ziel recht deutlich, die vermeintlichen Riesen auszuschalten, und landet hart auf dem Boden der Mancha.

Ältere Modelle (hier eins in der Steiermark) haben auch in Thüringen Bestandsschutz (Foto: nnz-Archiv) Ältere Modelle (hier eins in der Steiermark) haben auch in Thüringen Bestandsschutz (Foto: nnz-Archiv)

Und obwohl die CDU gestern im Kampf gegen die Windmühlen vor den Haustüren der Thüringer einen Sieg errungen und gegenüber Ministerpräsident Bodo Ramelow wie gewünscht die 1000-Meter-Abstandsregel durchgeboxt hat, könnten die Christdemokraten schon bald ebenfalls hart landen. Auf dem Boden der Realität. Die Fraktion der Windkraftbefürworter könnte sich dank der Schützenhilfe aus Berlin doch noch durchsetzen und den Kompromiss von gestern Abend vom Tisch fegen.

Doch der Reihe nach:
Einen möglichen gemeinsamen Antrag mit der CDU zur Windkraft will Bodo Ramelow im nächsten Landtagsplenum im Juli verabschieden lassen. Der Kompromiss soll darin bestehen, dass zwischen Windkraftanlagen, die neu errichtet werden, und Wohnsiedlungen ein Abstand von mindestens 1.000 Metern gilt. Für bereits bestehende kleinere Windräder, die in der Nähe von Wohnsiedlungen stehen, soll es Ausnahmen geben. An diese Windräder sollen zukünftig auch größere Anlagen angebaut werden können. Von dieser Einigung der Spitzenpolitiker berichtete heute der Mitteldeutsche Rundfunk. Sie basiert auf ähnlichen Regelungen, die es in dieser Frage bereits in Brandenburg und Sachsen gibt.

Allerdings dürfte der Erfolg der Erfurter CDU-Verhandlungen gegen die Minderheitsregierung nur von kurzer Dauer sein, denn im fernen Berlin ist die Regierung nicht gewillt irgendwelche Kompromisse an den Wünschen der GRÜNEN zuzulassen und erarbeitete inzwischen einen heute bekannt gewordenen Gesetzentwurf, der für ein Wind-an-Land-Gesetz gesetzlich verpflichtende Flächenziele für Windenergie vorsieht. Thüringen müsste danach 2,2 Prozent der gesamten Fläche des Freistaates für Windkraftanlagen zur Verfügung stellen. Momentan beträgt die Nutzfläche 0,4 Prozent des Bundeslandes.

Um diese Ziele durchzusetzen, wird Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nicht davor zurückschrecken, die Regeln zu Mindestabständen nach seinem Gusto zu ändern und durchzusetzen. In einer Formulierungshilfe für diesen Gesetzentwurf, die den Nachrichtenagenturen AFP und Reuters vorliegt, steht zu lesen: "Künftig dürfen Mindestabstandsregelungen nicht zu Flächenrestriktionen führen. Die Bundesländer dürfen im Grundsatz weiter über Mindestabstände entscheiden, müssen aber sicherstellen, dass sie die Flächenziele erreichen und so ihren Beitrag zum Ausbau der Windenergie leisten. Tun sie das nicht, werden die landesspezifischen Abstandsregeln nicht angewandt.“

Dementsprechend selbstbewusst tritt auch die zwergenhafte Thüringer GRÜNEN-Fraktion heute auf. Die Landtagsabgeordnete Astrid Rothe-Beinlich schrieb bei Twitter: "Wir können gern miteinander verhandeln. Aber zu diesem Gesetzentwurf gibt es unsere Zustimmung nicht.“ Vermutlich werden die fünf Stimmen der Thüringer Grünen aber auch nicht gebraucht, um das Landesgesetz zu bechließen. Mit CDU, AfD und FDP steht jetzt schon eine Mehrheit im Parlament für dieses Vorhaben.

Die oben erwähnte Formulierungshilfe soll den Plänen der Bundesregierung zufolge am Mittwoch kommender Woche im Kabinett beschlossen und dann ins parlamentarische Verfahren gegeben werden, schreibt der MDR heute auf seiner Online-Seite weiter. Geplant sei von der Bundesregierung, das Wind-an-Land-Gesetz gleich Anfang 2023 in Kraft zu setzen.

Nach dem bewährten Muster aus Corona-Tagen, mit scharfen Bundesgesetzen die Landesrechte auszuhebeln, wäre dann bald Schluss mit einem Windrad-Mindestabstand von 1 000 Metern zu Wohnsiedlungen. Denn 2,2 Prozent der Landesfläche wird Thüringen so schnell nicht mit Windrädern zubetonieren können. Ob ein solch erpresserisches Gesetz allerdings den Bundesrat überhaupt passiert, bleibt abzuwarten. Klagen dagegen dürften schon in den Schubladen diverser Anwaltskanzleien liegen.

Egal wie es am Ende ausgeht und ob die Berliner Koalition ihren Gesetzentwurf durchbekommt, die CDU in Thüringen kann sich nach dem gestrigen Ergebnis zugute halten, dass sie sehr wohl Politik im Lande für die Bürgerinteressen mitgestalten kann, auch wenn sie nicht mit der Minderheitsregierung aus LINKE, SPD und GRÜNE stimmt. Damit macht sie jedenfalls beim Kampf gegen de Windmühlen eine deutlich bessere Figur als der arme Don Quichote.
Olaf Schulze