Lichtblick zum Pfingst-Wochenende

Zur Aktualität der Bibel

Freitag
03.06.2022, 09:00 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Die Pfingstzeit ist da und wir denken daran, dass nach Jesus Himmelfahrt der Heilige Geist auf die Apostel und Jünger überging. Seitdem wird uns also zugetraut, das Evangelium auszulegen und zu verbreiten...

Und was sagt man nun zum Evangelium angesichts der Nachrichten, die uns seit Jahren in Echtzeit aus aller Welt erreichen? Bringt es was? Hat das Beten was genützt? Macht Gott nun endlich alles gut?

Eine Frage, die mir bei der Bibellektüre immer wieder in den Sinn kam, war die, wie ich mich in den jeweiligen Situationen entschieden hätte. Denn viele klingen ja unangenehm vertraut.

Da ist dieser Typ im Buch Genesis, der etwas von Extremwetterereignissen, Meeresspiegelanstieg und Artensterben redet und radikal seinen Lebensentwurf umstellt und anfängt, ein Rettungsschiff zu bauen. Und Sie und ich, wir würden in dieser Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit zum Rest der Erdbevölkerung zählen, der die Sache anders beurteilte. Auch die hatten ja ihre Gottheiten und Gewissheiten. Zehn Brandopfer und der Weltuntergang ist abgewehrt. Und verrückte Panikmacher gibt es ja immer, wem soll man glauben?

Unzählige Jahre später ist es der ägyptische Pharao, der auf seine Rituale vertraut, während da ein jüdischer Prophet steht und ihm billige und leistungsstarke Arbeitskräfte abwerben will. Seuchen, Plagen- nichts kann ihn umstimmen. Das Volk Israel ist in der Geschichte kaum besser, denn in der Wüste zweifeln sie dann doch an der Führungskompetenz des Moses und versuchen, in alte Muster zurückzufallen und selbstgemachte Gottheiten anzubeten.

Und im Neuen Testament sind es schließlich die Pharisäer, die so ihre Zweifel haben, dass ein Handwerkersohn aus Nazareth, der überall erzählt, er sei der Sohn Gottes, mit ihren bisher bekannten Lehren vereinbar sei. Wie hätten Sie und ich damals entschieden? Wären wir gefolgt oder beim Alten geblieben? Auch zu Jesus Zeit gab es viele Gurus, Scharlatane und Quacksalber. Die Chance, wieder einem Wirren hinterherzulaufen, war groß.

Ich erkenne also, dass die Bibel ziemlich aktuell ist, weil sich die Kernprobleme der Welt nicht verändert haben.
Nur dummerweise hilft sie mir wenig bei der Frage, ob ich wirklich richtig steh. Denn ich lese ja nur im Nachhinein die Berichter derer, die offenbar richtig lagen. Hinterher ist man immer klüger. Es gibt kein Buch: „Hoppla, ich habe mich geirrt- Bewohner aus Sodom erzählen“.

Da steh ich nun also nach der Bibellektüre vermeintlich genauso klug da wie vorher. Vor all den großen Fragen der Welt, zu denen laut um die Deutungshoheit gestritten wird.

Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings, der sich durchzieht. Bereits zu Abraham sagt Gott ja: „Ich segne dich und du sollst ein Segen sein.“. Und Jesus spricht später vom Licht, das man zeigen und nicht verbergen soll. Er fordert auf: Seid barmherzig, wie der Samariter. Nutzt und mehrt die euch anvertrauten Talente. Kleidet die Frierenden, speist die Hungernden und leistet den Einsamen Gesellschaft.

Kann ich so die richtigen von den falschen Propheten unterscheiden?
Keine Ahnung. Wahrscheinlich.

Ich weiß aber, dass diese Sichtweise sich nicht in lauten aber energiezehrenden Debatten über die ganz große Welt verliert. Niemand fragte: Ja Jesus, aber bringt das denn was, wenn man die globale Lage und klima-, sowie geopolitische Entwicklungen insbesondere unter Berücksichtigung der prognostizierten Auswirkungen auf das Handelsvolumen im Zweistromland bedenkt?
Sie bleibt auch nicht bei mystischen Ritualen stehen, die sich wie eine Preisliste für einen Glückslieferservice lesen: für fünf Gebete bei Mondlicht heilt Gott eine Krankheit, für sieben Energiesteine gewinnst du im Lotto.

Die segnende Sicht auf den Menschen nimmt ihn und seine Fähigkeiten in den Blick und verlangt, sie bewusst und entschieden zum Guten in der Welt einzusetzen. Sie ist keine Sicht des Rechthabens und keine Sicht des Wünschens, sondern im Kern eine des aufrechten und selbstbewussten Tuns. Das ist unbequemer als die ersten beiden und verlangt einiges ab, aber stärkt uns und die Welt real und nachhaltig. Sie gibt uns sogar den Auftrag, jenen, die von guten Wegen abkamen, eine ehrliche neue Chance zu geben.

Und das ist es doch, worum es Pfingsten geht: dass uns zugetraut wird und wir gleichzeitig beauftragt werden, für andere und die Welt ein Segen zu sein.

Ich wünsche Ihnen und auch mir also viele Gelegenheiten, konkret Gutes tun zu können.
Und wenn uns dabei Verzagtheit oder Bequemlichkeit ereilt, wünsch ich uns einen kleinen Weckruf Gottes, damit wir erkennen, was zu tun ist.

In diesem Sinne
Eine segensreiche Zeit
Thomas Endter, Gemeindepädagoge