Minister zu Gast bei Maximator Hydrogen

Zukunft mit Doppel H

Dienstag
31.05.2022, 09:00 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zumindest ein Teil der Zukunft wird dem Wasserstoff gehören, exorbitante Preise an den Zapfsäulen und neue Zwänge internationaler Sicherheitspolitik machen aus der Möglichkeit eine Notwendigkeit. Bei der Entwicklung spielt eine Nordhäuser Firma an der technologischen Spitze, wovon sich gestern auch Wirtschaftsminsiter Wolfgang Tiefensee überzeugte…

v.l.: Ralf Krause, Chief Operation Officer bei Hydrogen, Minister Wolfgang Tiefensee, Geschäftsführer Mathias Kurras und Industriemechaniker Tim Bollmann in der Werkhalle der Maximator-Hydrogen  (Foto: agl) v.l.: Ralf Krause, Chief Operation Officer bei Hydrogen, Minister Wolfgang Tiefensee, Geschäftsführer Mathias Kurras und Industriemechaniker Tim Bollmann in der Werkhalle der Maximator-Hydrogen (Foto: agl)

Die erratische Entwicklung des Weltgeschehens in den letzten Jahren hat viele Unwägbarkeiten aber auch neue Sicherheiten mit sich gebracht. So darf man annehmen, dass man sich in West- und Mitteleuropa kurz- bis mittelfristig von alten Gewohnheiten wird verabschieden müssen. Wackelt die Öl- und Gasversorgung, müssen energetische Alternativen gefunden werden und treibt der Dieselpreis an der Zapfsäule die Kosten für alle Beteiligten in ungeahnte Höhen, dann muss man auch hier nach einem oder mehreren Auswegen suchen.

Das Thema Wasserstoff wird dabei eine Rolle spielen und tut es an mancher Stelle schon. Vor allem Nutzfahrzeuge, vom Bus bis zum Bagger, tanken immer öfter „H2“. Die nötige Infrastruktur um die Alternative zum Verbrenner in die tiefe des Raums zu tragen, kommt dabei auch aus Nordhausen. Bei der „Maximator Hydrogen“ verbindet man Hochdruck-Know-How mit jahrzehntelanger Forschungsarbeit rund um Wasserstoff-Mobilität um kompakte und effektive Tankstellen zu bauen. Denn da liegt im Moment einer der Knackpunkte - wer etwa in Nordhausen mit einem Wasserstoff-Fahrzeug unterwegs sein möchte, der hat vier Optionen, um den Tank wieder voll zu kriegen - Kassel, Braunschweig, Halle und Erfurt. Dazwischen ist Wasserstoff-Wüste.


Andernorts ist man da schon weiter. In der kleinen Schweiz gibt es zwölf Wasserstoff-Tankstellen, von denen elf aus Nordhausen kommen. An dem Dutzend Anlaufstellen wird soviel „abgetankt“ wie an 100 Wasserstofftankstellen in Deutschland, vor allem durch Nutzfahrzeuge, berichtet Hydrogen-Geschäftsführer Mathias Kurras, „da liegt auch der Hebel um Wirtschaftlichkeit zu erzeugen“. Die Nordhäuser Tankstellen sind „High-Tech“ und werden in den zwei neuen Werkhallen am Darrweg von Hand zusammengeschraubt. Bis zu 400 Anlagen will man in der Spitze hier pro Jahr fertigen, aber noch steht man am Anfang der Entwicklung.


Ein Flaschenhals ist das Personal. Wenn man Leuten mit „Wasserstoff im Lebenslauf“ suche, würde man nur schwer fündig, meint Kurras. Stattdessen wirbt man um Ingenieure, Montagespezialisten, Mechatroniker und Programmierer. Die passenden „Köpfe“ dazu gebe es im Freistaat zumindest in der Theorie, meint Minister Tiefensee, die praktische Herausforderung sei, diese auch zu halten und da sei es an den Regionen, von sich zu überzeugen. Immerhin: in Nordhausen hat man die Hochschule mit ihrem besonderem Faible für alles Erneuerbare direkt vor der Haustür. Im Moment funktioniere es ganz gut, die nötigen Fachleute nach Nordhausen zu holen, meint Geschäftsführer Kurras, der selber seinen Wiener Wohnsitz gegen den Südharz getauscht hat und es nicht bereut.


Flaschenhals zwei ist ein deutlich schwierigeres Problem - die Lieferengpässe. Wenn es schon dem Zulieferer vom Zulieferer nicht mehr gelingt, seine Vorprodukte rechtzeitig heranzuschaffen, gerät die ganze Kette ins Wanken, das trifft auch die Tankstellenfertigung in Nordhausen. Man versuche die Dinge so gut es geht mit den Partnern zu regeln, berichten die Hydrogen-Chefs dem Minister, aber die Sorge um die Versorgungssicherheit schwingt doch mit. Nur kann Tiefensee nicht viel zur Erbauung anbieten als die Versicherung, dass es Instrumente wie das Kurzarbeitergeld, welche die Wirtschaft durch die Herausforderungen der vergangenen Jahre geführt haben, auch weiterhin geben werde.

Auf dem Nordhäuser Firmengelände findet sich die wohl höchste Dichte an Wasserstofftankstellen in Europa, denn die Hydrogen-Anlagen müssen vor der Auslieferung eine ganze Reihe an Praxistests überstehen (Foto: agl) Auf dem Nordhäuser Firmengelände findet sich die wohl höchste Dichte an Wasserstofftankstellen in Europa, denn die Hydrogen-Anlagen müssen vor der Auslieferung eine ganze Reihe an Praxistests überstehen (Foto: agl)


Flaschenhals Nummer Drei ist ein technologisch-organisatorischer. Wasserstoff lässt sich durch Elektrolyse herstellen. Dafür braucht es Strom und der ist im besten Falle „Grün“. Je nachdem wie hoch die Nachfrage in Zukunft ausfällt, wird man dafür sorgen müssen, dass ein Tankstellennetz auch fortwährend mit Wasserstoff versorgt werden kann. Große Elektrolyse-Einrichtungen sind noch rar gesät und finden sich unter anderem in Rotterdam oder auch in der Schweiz. Die gute Nachricht - beim Transport könnte man in etwa 80 Prozent der Fälle auf das bestehende Pipeline-Netz das für die Erdgasbeförderung genutzt wird zurückgreifen, erläutert Kurras. Die Herausforderung sei jetzt, die disparaten Teile, also Rohstoff, Infrastruktur und Nutzer, zu einem schlüssigen Ganzem zusammenzubringen.


Die Herausforderungen sind nicht trivial, aber man blickt dennoch optimistisch in die Zukunft. Noch in diesem Jahr will man die erste Wasserstoff-Tankstelle in der Region einweihen, was den Vorteil mit sich brächte, die eigene Firmenflotte nicht mehr bis nach Halle oder Erfurt zum tanken schicken zu müssen. Außerdem plant man einen Testaufbau für die Schnellbetankung großer Nutzfahrzeuge, ebenfalls in der Nachbarschaft zum Firmengelände. Minister Tiefensee sieht in der Technologie auch eine Chance für Thüringen und den Osten als solches. „Wir sehen hier ein aufstrebendes Unternehmen, dessen Technik noch lange nicht am Ende ist und es ist gut, das dass aus Thüringen kommt. Wir und auch andere Bundesländer im Osten sind schon lange an dem Thema dran und ich glaube hier kann Großes entstehen.“, sagt der Minister abschließend.


Wie attraktiv die Wasserstoff-Mobilität für den privaten Bereich wird, muss sich noch zeigen. Rund 60 Euro koste aktuell eine Tankfüllung für ein Fahrzeug der Firmenflotte, die seit neuestem aus zehn Toyota „Mirai“ besteht und für bis zu 600 Kilometer reicht, ist am Rande zu erfahren. Allerdings, wer sich heute einen Wasserstoff Pkw leisten kann, der muss sich wahrscheinlich eher weniger Gedanken um die Kraftstoffpreise machen. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Angelo Glashagel