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Stadtkasse leer? Hier eine Sparmöglichkeit

Sonnabend
07.05.2022, 16:43 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Vor einigen Tagen hatte ich einen höheren runden Geburtstag. Ich bekam viel Post. Auch ein Brief mit „freundlichen Grüßen von Kai Buchmann, Oberbürgermeister“, war dabei und bevor ich ihn las, dachte ich: Fein, wenigstens ein Computer der Stadtverwaltung denkt ab jetzt alle 10 Jahre an dich und verfasst ein paar freundliche Zeilen. Beim Lesen merkte ich: Denken ist die falsche Tätigkeit, wenn du vom Amt Post bekommst…


Ich sei ausgewählt, las ich auf zwei Seiten, um an einer repräsentativen Mobilitätsbefragung teilzunehmen. Diese hätte den Sinn, die Datengrundlage zum gegenwärtigen Mobilitätsverhalten zu liefern und Prognosen für die Zukunft zu ermöglichen. Natürlich ganz freiwillig und völlig anonym. Deswegen gab es auch den Zugangsschlüssel gleich ganz anonym im selben Brief und nicht abgesichert. Geht´s noch??

Mein Konfifchen hatte ich ja sowieso beisammen, also beschloss ich, gleich die Meinung von den Nichtausgewählten mit zu erfragen.

Mein Cousin, also der Gernot, polterte gleich los: „Was soll der Quatsch? Wer von uns 8, außer dir, hat einen Computer? Nur der Oskar, um kostenlos mit seinen Enkeln zu telefonieren und die Zeitung zu lesen und auch dabei macht er schon altersgerechte Fehler, wie mir neulich sein Ältester erzählte.“ „Na und?“, fragte der Oskar, „schadet das wem?“ „Natürlich nur dir und den Kindern. Aber wenn einer wie du so eine Umfrage bekommt, schaltet er entweder aus, bevor er auf die angegebene, kryptische adressierte, Seite gekommen ist, oder macht Bedienfehler und das Ergebnis ist wie früher NVA (nur vor'n A....). mann, mann, mann!!!“

Da blieb mir nichts anderes übrig, als das ausgeschlafene Mädchen, was ich immer war, hervorzukehren: „Ich drucke euch die Fragen mal aus und wir formulieren dann zusammen die Antworten. Das ist doch jetzt mal wichtiger, als Rommee spielen. Also los geht’s. Während des Drucks lese ich euch schon mal die erste Frage vor: Sind Sie aktuell erwerbstätig oder in Ausbildung (auch Schule, Studium)?“ Wir erzielten ein Ergebnis wie früher nur in der Volkskammer: 100% nein.

„Wie häufig nutzen Sie in der Regel die folgenden Verkehrsmittel?“ Hier waren wir uns nur einig, dass wir Motorrad oder Kraftrad, Pedelec/E-Bike, E-Scooter (E-Tretroller) nie und Fahrräder altersbedingt leider selten benutzen.

Jetzt war der Drucker fertig, jeder hatte die Fragen in der Hand und Gisela, pensionierte Deutsch-Lehrerin, fragte angesichts der Frage 'Wie häufig nutzen Sie den Pkw in der Regel für die nachfolgenden Wegezwecke?': „Was ist denn eine Wegezwecke? Ich kenne nur eine Reißzwecke. Die sollten sie den Verfassern von dem Quatsch mal auf die Bürostühle legen, dass sie wenigstens beim Hinsetzen mal munter werden.“ Und weil sie einmal so schön in Fahrt war, machte sie gleich weiter: „Zur Frage 'Was sind für Sie wichtige Voraussetzungen, die erfüllt sein sollten, damit Sie noch umweltfreundlicher und nachhaltiger unterwegs sein können?' steht 'Bitte wählen Sie die zutreffenden Antworten aus.' Alle Antworten treffen zu. Also was sollen wir noch auswählen?“

Inzwischen war ihr Herbert, bis 1990 Hauptbuchhalter eines großen VEB, danach bis zur Rente Mitarbeiter in einem Steuerbüro, schon am Ende der Fragen angekommen: „'Möchten Sie uns abschließend noch konkrete Anregungen, Verbesserungsvorschläge und Ideen zum Thema Mobilität in Nordhausen mitteilen? Was ist für Sie wichtig?' Wie lang soll denn meine Antwort da werden? Da mache ich es doch lieber ganz kurz: Einstampfen den Quatsch, Kosten den Verantwortlichen vom Lohn abziehen und sie anschließend mal ohne Handy auch bei Regenwetter und auch in der Arbeitszeit zum Spazierengehen durch die Stadt schicken. Keine Frage zur Mobilität von vorübergehend oder dauerhaft Behinderten wurde gestellt. Dabei weiß doch jeder Rollatorfahrer, dass er mit seiner Gehhilfe in der Viertelstunde bis zur nächsten Straßenbahn auch zu Fuß zu seinem Ziel kommt. Über Sonnabend und Sonntag wollen wir lieber gar nicht sprechen. Wenn meine Gisela und ich dann noch den Preis für Hin-und Rückfahrt addieren, kaufen wir uns den Kuchen beim Bäcker oder in der Kaufhalle und bleiben zuhause.“

Das Schlusswort – es wurde zum Schlussgebrüll - war Gernot nicht zu nehmen: „Gerda, du bist auch nicht mehr die Jüngste. Wegen so´n Quatsch hällst'e uns vom Rommee ab. Der Bürgermeister hätte, wenn er es sich nicht denken kann, mal fragen sollen: Wie viel Prozent der Einwohner werden befragt? Wie viel Prozent der Befragten können antworten und wie viel Prozent davon tun es? Nach welchen Gesichtspunkten wurde ausgewählt? Was kostet das? Wenn er nach den Antworten und Ansehen des Fragebogens noch unterschrieben hätte..........Amtsenthebungsverfahren einleiten, mann, mann, mann!!“

Nachdenklich geworden schaltete ich den Computer aus und wir teilten die Karten aus. Und weil ich nicht noch mal Öl ins Feuer gießen wollte, behielt ich die Frage für mich: 'Wie viele schöne Geburtstagsglückwünsche an wirklich alte Nordhäuser hätte man von dem Geld für diese Umfrage verschicken können?'
Gerda Hassmagd