nnz im gespräch mit regionalen Handwerkern

Handwerk in der Schieflage

Donnerstag
05.05.2022, 13:39 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
„Es wird zunehmend schwieriger, an bestimmtes Material zu kommen“, beklagen Nordhäuser Handwerksunternehmen. Speziell im Dachdeckergewerbe fehle es an den notwendigen Ziegeln oder der Schweißbahn. Parallel zur Materialknappheit fänden Preissteigerungen, teilweise um die 20 Prozent statt. Wir haben uns beim Handel und im Handwerk umgehört und nach Erklärungen gesucht …



„Die Gründe für die Preiserhöhungen sind in der Herstellung der Produkte zu suchen“, erklärt man uns bei Melle Baustoffe. Ziegeln beispielsweise werden mit Gas gebrannt. Und um eine Rolle Schweißbahn herzustellen, benötigt man Rohöl. Auch die Logistik spielt eine Rolle. "Viele Fahrer aus der Ukraine sind nun nicht mehr auf den Straßen unterwegs.“ Die Ukrainekrise zieht die ohnehin schon geschwächte Bauwirtschaft in eine noch größere Schieflage hinein.

„Wir kriegen keine Unterstützung vom Staat und müssen selbst sehen, wie wir durchkommen“, verdeutlicht Dachdeckermeister Lars Etzrodt. Monatelange Wartezeiten seien zwischenzeitlich an der Tagesordnung, und sobald etwas vorrätig ist, ist es innerhalb kurzer Zeit auch wieder vergriffen. Melle Dachbaustoffe verrät: „Wir haben schon unzählige Vorbestellungen, können unseren Kunden aber keinen Liefertermin nennen, da wir vom Hersteller selbst keine Auftragsbestätigung erhalten und teilweise auch niemand mehr telefonisch vor Ort erreichbar ist. So eine Situation gab es noch nie!“

Viele Dachdeckereien haben zwischenzeitlich auf Kurzarbeit umgestellt, obwohl es jetzt normalerweise richtig losgeht in der Branche. Einige haben auch vorgesorgt und sich das für die Auftragsausführung notwendige Material auf Halde gelegt. Diejenigen, die ausreichend Lagermöglichkeiten haben. Die hat aber nicht jedes Unternehmen.

„Ich nutze den mir zur Verfügung stehenden Platz, um das Notwendigste noch zum aktuellen Preis unterzubringen. Unwirtschaftlich, weil hierdurch Kapital gebunden wird und keine sofortige Umlage auf den Endkunden möglich ist. Im Gegenzug möchte ich mein Preisversprechen aber halten und Preiserhöhungen sollten sich im Rahmen bewegen", erklärt Handwerksmeister Etzrodt. "Die sogenannten Tagespreise beträfen nach aktueller Lage nicht mehr ausschließlich Metall wie die Dachrinne oder Zink- und Aluminiumbaustoffe, sondern zunehmend auch andere Dachbaustoffe. Der Bestellzeitpunkt sei für den Preis nicht mehr ausschlaggebend, sondern der Lieferzeitpunkt. Das würde eine Kalkulation fast gar nicht mehr ermöglichen.

Andere Branchen scheinen noch nicht so stark vom Materialmangel betroffen zu sein. Bei Holz Heinemann reagiert man derzeit gelassen. Hier fehle neben sibirischer Lärche lediglich Brettschichtholz oder Sorten, die sich durch weitere Holzsorten an Bauten ersetzen ließen.

Eins steht jedoch bereits fest: Ein sich fortsetzender Trend wird kurzfristig viele Firmenpleiten und eine damit verbundene, weiter ansteigende Arbeitslosigkeit nach sich ziehen.
Cornelia Wilhelm