NABU Thüringen stellt Forderungen:

Ohne Biodiversität keine Ernährungssicherheit

Donnerstag
07.04.2022, 11:08 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Zur Bundesratssitzung am kommenden Freitag fordert der NABU Thüringen die Landesregierung auf, sich gegen eine Abschaffung der gerade erst vorgesehenen ökologischen Vorrangflächen auszusprechen...

Um die Ernährungssicherheit sicherzustellen, braucht es vielmehr ein Umdenken beim Umgang mit Lebensmitteln und eine naturverträglichere Landbewirtschaftung. Getreide und Raps im Tank, zu hoher Fleischkonsum und Lebensmittelverschwendung kann sich die Gesellschaft nicht mehr leisten. Zudem warnt der Verband davor, Maßnahmen bei der Landbewirtschaftung zu lockern, die dem Erhalt der Biodiversität dienen. Der Verlust von Artenvielfalt und Insekten bedeutet Ertragsverluste.

Der Krieg in der Ukraine hat auch das Thema der Ernährungssicherheit ganz nach oben auf die politische Agenda katapultiert. Im Bundesrat soll am Freitag dem 8. April ein Antrag zur Abstimmung stehen, in dem die Bundesregierung dazu aufgefordert wird, auf den gerade erst eingeführten ökologischen Vorrangflächen intensiv produzieren zu können. Unter dem Deckmantel eines vermeintlichen Versorgungsproblems wird die Krise von Agrarlobbyisten genutzt, um hart umkämpfte Maßnahmen für den Klima- und Umweltschutz auszuhebeln.

Langfristige Ernährungssicherheit funktioniert nur mit Biodiversität
„Wir fordert die Landesregierung auf, sich im Bundesrat gegen eine Intensivierung der Bewirtschaftung von ökologischen Vorrangflächen auszusprechen. Es ist eine gravierende Fehleinschätzung der Agrarlobby, auf 4% (Prozent) ökologischer Vorrangflächen einen ebenso großen Mehrertrag zu erwirtschaften. Zum einen sind viele dieser Flächen deutlich weniger produktiv als die bewirtschafteten Flächen. Zum anderen muss die Landwirtschaft die Biodiversität auf ihren Produktionsflächen im Blick behalten, um aktuell und dauerhaft die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Verlust von Artenvielfalt bedeutet auch Verlust von Erträgen, und zwar auf 100 Prozent der Fläche,“ sagt Martin Schmidt, der Landesvorsitzende des NABU Thüringen. „Was eine zeitgemäße moderne Landwirtschaft jetzt braucht, ist mehr Ökologie, anstatt weitermachen wie bisher. Gesunde Ökosysteme, Klimaresilienz, fruchtbare Böden, saubere Luft und sauberes Wasser bilden wichtige Grundlagen, um genügend Nahrungsmittel für die Weltbevölkerung zu produzieren.“ Das Arten- und Insektensterben muss aufgehalten werden. Denn wenn die Insekten verschwinden, verschwindet auch irgendwann der Mensch.

Ein Anteil von mindestens 10 Prozent Brachen sind nach Aussage seriöser Wissenschaftler als ökologische Vorrangflächen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen ebenso notwendig, wie der schrittweise Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Dünger, um auch nur ansatzweise eine Chance zu haben, auf lange Sicht gesunde Lebensmittel in einem funktionierenden Ökosystem zu produzieren.

Umgang mit Nahrungsmitteln ändern
Etwa 60 Prozent der deutschen Getreideproduktion erfolgt für die Herstellung von Futtermitteln. Aus Sicht des NABU braucht es unmittelbar wirksame Maßnahmen, die eine Reduzierung der intensiven Nutztierhaltung in Deutschland und Europa sowie ein verändertes Konsumverhalten befördern. „Dieser Prozess darf allerdings nicht auf Kosten der Landwirtschaft gehen, sondern muss mit Fördermitteln unterstützt werden. Nur so kann eine Wende gelingen bei der niemand auf der Strecke bleibt“, fordert Martin Schmidt.

Ein hohes und vergleichsweise schnell zu aktivierendes Potenzial, kurzfristig zusätzliche Fläche für die Lebensmittelproduktion bereitzustellen, sieht der Naturschutzverband in der Reduzierung von Agrokraftstoffen. Allein in Deutschland könnten hierdurch 800.000 Hektar freigemacht werden. Die energetische Ausbeute beträgt auf gleicher Fläche bei Photovoltaikanlagen ein Zehnfaches. Das bedeutet, auf einem großen Teil auf dem Acker könnten Lebensmittel produziert werden, der kleine Rest der Fläche wird dann zur Abmilderung der Energiekrise genutzt. „Die Krise zeigt uns, dass wir ein Umdenken beim Umgang mit unseren Lebensmitteln brauchen. Getreide im Tank, zu großer Fleischkonsum und Lebensmittelmüllberge können wir uns einfach nicht mehr leisten. Deshalb müssen jetzt dringend Maßnahmen zur Reduktion der Tierbestände und des Konsums eingeleitet werden“, so Martin Schmidt.