NUN IST ER VERSTORBEN, ER WURDE 48 JAHRE ALT

Ein Adler machte Schlagzeilen

Mittwoch
06.04.2022, 17:20 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Es war im Dezember 1987. Reinhold Körner war einer der fünf Falkner im Landkreis Nordhausen, die ein altes jagdliches Brauchtum pflegten: die Beizjagd mit einem Greifvogel. Überdies war er einer der nur vier Falkner, die in der DDR einen Adler als Beizvogel besaßen...

Diese Aufnahme erfolgte im Dezember 1987. An einem neblig-trüben Tag. Reinhold Körner gehörte zu den vier Falknern der Republik, die einen Adler als Beizvogel besaßen.                                                          (Foto: Herbert Wolff) Diese Aufnahme erfolgte im Dezember 1987. An einem neblig-trüben Tag. Reinhold Körner gehörte zu den vier Falknern der Republik, die einen Adler als Beizvogel besaßen. (Foto: Herbert Wolff)


Dieser gehörte ihm aber nicht selbst. Eines Tages hatte er den Steinadler entdeckt. Der Vogel musste, was er an seinem Verhalten bemerkte, einer Falknerei entflogen sein. Woher er kam, blieb zunächst ein Geheimnis.

Mit Genehmigung der Obersten Jagdbehörde der Republik durfte ihn Körner behalten. Ob er ständig in seinem Besitz bleiben würde, darüber würde die Behörde zu gegebener Zeit entscheiden. Der große Greif war ein gelehriger Schüler. Davon konnte ich mich bei einem Besuch beim Falkner überzeugen. In einiger Entfernung hatte er ihn auf freiem Feld abgesetzt. Nach kurzen Zurufen hob der Vogel ab und schwang sich elegant auf die Lederhandschuh geschützte Hand des Falkners. Der atzte ihn mit einem Stückchen Fleisch.

Leider war an jenem Tag neblig-trübes Wetter, weshalb an einer Beizjagd nicht zu denken war. Gern hätte ich erlebt, wie gut der Adler Hasen oder andere Beutetiere schlägt. Es kam der Tag, wo sich Falkner Körner von dem liebgewordenen Greifvogel trennen musste. Die Identität des Steinadlers hatte sich inzwischen geklärt. Er war dem Falknerhof in Bad Sachsa entflogen. Dorthin kehrte er zurück.

Vor wenigen Jahren war ich Besucher im Falknerhof auf dem Katzenstein. Mit Falkner Joachim Klapproth kam ich auf die Geschichte zu sprechen. Der Chef führte mich zu einer Voliere, wies auf einen Vogel und bemerkte: „Der war es, der 1987 im Landkreis Nordhausen landete“. Das berührte mich. Vor Jahrzehnten hatte ich den Adler mit meinem Kollegen Herbert Wolff hautnah erlebt. Gestern nun teilte mir Joachim Klapproth traurig mit, der Adler sei verstorben. 48 Jahre sei er alt geworden. Einst machte er Schlagzeilen.

Der Steinadler war ehemals in Deutschland verbreitet. Sein Hauptfeind war der Mensch. Wie andere Greifvögel galt er auch als Schädling, fiel schießwütigen Jägern zum Opfer. Die Alpenregionen blieben die letzten Rückzugsorte. Obwohl streng geschützt, gibt es Menschen, die ihm illegal nachstellen. Der Steinadler zählt zu den Habichtartigen und ist neben dem Seeadler der größte Adler hierzulande. Zu seinen Beutetieren zählen Murmeltiere, Hasen, Kaninchen, Alpenhühner, aber auch abgestürztes Wild.

Zum Schutz und Erhalt dieses beeindruckenden Adlers zählen die Falknereien. Die vom Rennsteig kennen wir aus dem Fernsehen. Aber auch die im Nachbarort Bad Sachse leistet ihren Beitrag. Ein Besuch ist stets ein bleibendes Erlebnis. Schon die Flugschau ist eine Wucht.
Kurt Frank