Rechtliche Aspekte zur Impfpflicht aus der Kanzlei Koch & Boikat

Kein Arbeitslosengeld für Impfverweigerer!?

Mittwoch
06.04.2022, 14:43 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Seit dem 16. März gilt die einrichtungsbezogene Impfpflicht im gesamten Gesundheitswesen. Für Beschäftigte, welche weder einen Impf- noch Genesenennachweis oder einen Nachweis über eine medizinische Kontraindikation vorlegen können, droht daher der Ausspruch eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt...

Für die Arbeitnehmer stellt sich spätestens mit V erhängung des Tätigkeitsverbotes die Frage, inwieweit der Lohnanspruch sozialversicherungsrechtlich durch die Gewährung von Arbeitslosengeld oder Hartz IV abgesichert ist.

I. Arbeitsrechtliche Folgen eines Tätigkeitsverbotes
Kann die Arbeitsleistung aufgrund des ausgesprochenen Tätigkeitsverbotes tatsächlich nicht erbracht werden, so kommt der Grundsatz „ohne Arbeit kein Lohn“ zur Anwendung und der Lohnanspruch des Arbeitnehmers entfällt.

Erbringt der Arbeitnehmer darüber hinaus dauerhaft keinen 2G-Nachweis, so besteht Einigkeit darüber, dass die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründet ist.

II. Arbeitslosengeldanspruch
Wurde das Arbeitsverhältnis nach Anordnung eines Tätigkeitsverbotes jedoch nicht gekündigt, sondern liegt lediglich der Fall der fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit vor, stellt sich die Frage, ob dieser Lohnausfall sozialversicherungsrechtlich durch einen Arbeitslosengeldanspruch aufgefangen wird.
Der Anspruch auf Arbeitslosengeld liegt nach dem Gesetz vor, wenn der Arbeitnehmer arbeitslos ist, er sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet hat und die Anwartschaftszeit erfüllt ist.

1. Arbeitslosigkeit = Beschäftigungslosigkeit
Arbeitnehmer haben dann einen Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn sie in keinem Beschäftigungsverhältnis stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes ist von einer Beschäftigungslosigkeit auszugehen, wenn der Versicherte trotz Fortbestands des Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht mehr beschäftigt wird, weil der Arbeitgeber sein Direktionsrecht dauerhaft nicht mehr beansprucht und/oder der Arbeitnehmer sich diesem nicht mehr unterwirft. Dies ist auch bei einer unwiderruflichen Freistellung oder dem Ausspruch des Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt der Fall.

2. Arbeitslosmeldung bei der Agentur für Arbeit
Der Arbeitnehmer ist darüber hinaus verpflichtet, sich bei der Agentur für Arbeit elektronisch über das von der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellte Portal oder persönlich arbeitslos zu melden. Dies wird der Arbeitnehmer spätestens mit der Zustellung des Verbotsbescheides tun.

3. Erfüllung der Anwartschaftszeit
Die dritte Voraussetzung ist die Erfüllung der Anwartschaftszeit. Hierbei ist es erforderlich, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer Rahmenfrist von 30 Monaten mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.
Zwischenfazit: Beschäftigte, die als Impfverweigernde deshalb ihren Job verloren haben oder wegen behördlichen Tätigkeitsverbot ohne Lohnzahlung freigestellt sind, haben grundsätzlich einen Anspruch auf ALG I; sie stehen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung, können auf dem Arbeitsmarkt (in anderen Bereichen) vermittelt werden.

4. Sperrzeit
Den Arbeitslosengeldanspruch kann jedoch eine Sperrzeit entgegenstehen, welche die Bundesagentur verhängt, wenn sich der Arbeitnehmer arbeitsvertragswidrig verhalten hat.
Arbeitsvertragswidriges Verhalten des Arbeitnehmers
Grundsätzlich handelt es sich bei der Entscheidung, sich nicht gegen das Corona-Virus impfen zu lassen, um eine persönliche Entscheidung, welche den privaten Bereich des Arbeitnehmers betrifft. Ein privates Verhalten wirkt sich erst dann auch arbeitsrechtlich aus, wenn tatsächlich eine vertragliche oder gesetzliche Verpflichtung besteht, sich impfen zu lassen. Der Arbeitnehmer ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Nebenleistungspflicht verpflichtet, sich so zu verhalten, dass seine Fähigkeit zur Erbringung der Arbeitsleistung erhalten bleibt.

Das Fehlen einer Corona-Impfung hat jedoch aufgrund der einrichtungsbezogenen Impfpflicht im Gesundheitswesen nicht nur Auswirkungen für den privaten Bereich, sondern auch für das Arbeitsverhältnis selbst. Aufgrund des Verhaltens des Arbeitnehmers ist dieser damit auch für den Eintritt der Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung verantwortlich. Mit der Anordnung eines Tätigkeitsverbotes muss der Arbeitnehmer somit davon ausgehen, dass die Sperrzeit das Verschuldenserfordernis erfüllt, da die Arbeits- bzw. Beschäftigungslosigkeit des Arbeitnehmers vorsätzlich oder mindestens grob fahrlässig herbeigeführt wurde.

5. Impfverweigerung als wichtiger Grund versicherungswidrigen Verhaltens?
Auf der anderen Seite handelt es sich jedoch bei einer Impfung um einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, sodass darin ein wichtiger Grund für das versicherungswidrige Verhalten vorliegen könnte.
Bei der Prüfung eines wichtigen Grundes ist jedoch eine Abwägung der Interessen des Arbeitnehmers und der Versichertengemeinschaft vorzunehmen. Während das Recht auf körperliche Unversehrtheit sowie das allgemeine Persönlichkeitsrecht dafürsprechen, dass jeder Arbeitnehmer frei darüber entscheiden kann, ob er sich impfen lässt, so spricht gegen einen wichtigen Grund, dass der Gesetzgeber den Schutz der vulnerablen Gruppen als höher betrachtet, sodass die spezielle einrichtungsbezogene Impfpflicht über den Grundrechten der Arbeitnehmer steht, welche eine Impfung verweigern.

Mangels einer abschließenden Stellungnahme seitens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales sowie der Bundesagentur für Arbeit, bleibt abzuwarten, ob aufgrund einer fachlichen Weisung der Bundesagentur für Arbeit die Problematik geregelt wird.

III. Fazit
Die Verweigerung einer Corona-Impfung trotz einrichtungsbezogener Impfpflicht führt nach Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt zur Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung. Der Arbeitnehmer hat somit auch keinen Lohnanspruch. Auch wenn auf den ersten Blick die Voraussetzungen eines Arbeitslosengeldanspruches vorliegen, ist abzuwarten, ob die Bundesagentur für Arbeit die Voraussetzungen einer Sperrzeit annimmt oder hier aufgrund der besonderen Härte sowie insbesondere den bestehenden Grundrechtseingriff einen wichtigen Grund annimmt, welcher gegen die Anordnung einer Sperrzeit spricht.

Damit stehen für den impfverweigernden Arbeitnehmer folgende erhebliche berufliche und finanzielle Risiken im Raum:
• Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt 3
• Verhängung einer Sperrzeit mit der Folge der Verschiebung und der Verkürzung des Anspruchszeitraums für Arbeitslosengeld
• Minderung des Anspruches auf Hartz IV
• Verhängung einer Geldbuße wegen Nichtvorlage/Falschvorlage eines 2G- Nachweises
Dies sollte für den Arbeitgeber und Arbeitnehmer Anlass dafür sein, im Rahmen ihrer Anhörung im Verwaltungsverfahren des Gesundheitsamtes, intensiv nach Beschäftigungsalternativen zu suchen, damit eine einrichtungsbezogene Impfflicht verhindert werden kann.

Sobald die ersten Tätigkeitsverbote durch die Gesundheitsämter verhängt werden, ist auch die Bundesagentur für Arbeit gefordert und muss entscheiden, ob sich das Verhalten der Arbeitnehmer tatsächlich auf das Sperrzeitrecht auswirkt.

Michael Koch,Fachanwalt für Arbeitsrecht Rechtsanwalt
Stephanie Has, Fachanwältin für Arbeitsrecht Rechtsanwältin