Vorgestellt: Der neue Direktor

"Wir müssen mehr Polizei auf die Straße bringen!"

Donnerstag
24.02.2022, 15:45 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Er ist in den zurückliegenden 28 Jahren in Thüringen viel rumgekommen. Saalfeld, Meiningen, Erfurt und jetzt Nordhausen. Die nnz sprach heute mit Polizeidirektor Matthias Bollenbach unter anderem über seine Ankunft in Nordhausen, den Alltag in Corona-Zeiten und Dienstaufsichtsbeschwerden...

Polizeidirektor Matthias Bollenbach leitet seit November vergangenen Jahres die Landespolizeiinspektion (LPI) Nordhausen (Foto: nnz) Polizeidirektor Matthias Bollenbach leitet seit November vergangenen Jahres die Landespolizeiinspektion (LPI) Nordhausen (Foto: nnz)
Ende November war es, da wurde das Personalkarussell innerhalb des höheren Dienstes der Thüringer Polizei in Bewegung gesetzt. Von der Landespolizeidirektion in Erfurt zog es den 57 Jährigen in den Thüringer Norden. Wie es im Beamtendeutsch so nüchtern heißt, er wurde abgeordnet. Um letztlich die Geschäfte der Landespolizeiinspektion von Detlev Schum zu übernehmen und künftig zu leiten.

Nun hat der Rheinland-Pfälzer die ersten 100 Tage hinter sich gebracht und fühlt sich sowohl im Dienstalltag als auch außerhalb des Polizeigebäudes an der Darre gut aufgenommen. "Natürlich war ich ein neues Zahnrad in einer laufenden Maschinerie. Aber ich merkte in den vielen Gesprächen, die ich inzwischen führen konnte, dass die Nordthüringer Polizei in der Region eine hohe Anerkennung besitzt. Und ich merkte schnell, wo außerhalb der Polizei die Probleme wahrgenommen werden. Ganz oben das Personalproblem und die damit verbundene Präsenz oder Nicht-Präsenz der Kolleginnen und Kollegen auf den Straßen", berichtet Bollenbach.

Viel hat der Polizist in seiner Karriere bereits erlebt, doch das, was in seiner Heimat, in der Pfalz, dort wo er seine erste Grundausbildung absolvierte, passierte - der kaltblütige Mord an zwei Polizisten - das hatte ihn mehr als mitgenommen. "Alle unsere Beamtinnen und Beamten waren nach dieser schrecklichen Tat geschockt. Eigentlich geht man im ländlichen Raum nicht jeden Tag mit einem Angstgefühl auf Streife. So nach dem Motto, hier wird schon nichts passieren. Und doch: es ist passiert und kann wieder passieren", appelliert Bollenbach vor allem an die jüngeren Polizisten mit der Mahnung, immer gut aufzupassen und immer an die Eigensicherung zu denken.

Ob nun Corona oder nicht - die Polizei in Nordthüringen ist einfach personell nicht genügend ausgestattet. Damit ist sich Matthias Bollenbach mit den anderen Dienststellenleitern im Freistaat einig. Nur: Wer von Gotha zum Beispiel zum Dienstort nach Erfurt fahren muss, der ist vom Heimat- und Wohnort 20 Minuten entfernt, der Weg in den Norden ist da schon weiter und Nordhausen vielleicht nicht so attraktiv wie Erfurt. "Wir müssen junge Menschen für den Dienst in der Thüringer Polizei begeistern, denn die aktuellen Probleme werden im Vergleich zu dem, was die Demografie in den nächsten Jahren bringen wird, eine Bagatelle." Zwar gibt es jetzt in der Landespolizeiinspektion einen hauptamtlichen Einstellungsberater, zwar bekommt der Polizei-Azubi im mittleren Dienst mehr als 1.000 Euro im ersten Ausbildungsjahr, dennoch wird es schwer werden mit der Findung und späteren Eignung des Nachwuchses", blickt der Polizeidirektor voraus.

Zu den Schwerpunkten der künftigen Arbeit befragt, steht unter anderem die mit Drogen verbundene Kriminalität ganz oben auf der Agenda. Nicht das Dealen an sich macht der Polizei zu schaffen, sondern die "Begleiterscheinungen", die bis in die Verkehrsunfallstatistik hineinreichen.

Seit rund zwei Jahren mischt sich die Pandemie schleichend in die Einsatzplanung auch der Nordthüringer Polizei. "Wenn unsere Kolleginnen und Kollegen Sonderschichten einlegen müssen, um das Demonstrationsgeschehen abzusichern, dann ist das schon eine Herausforderung. Dennoch habe ich ein striktes Deeskalationsverhalten angeordnet und ich denke, dass wir zum Beispiel an den Montagabenden in Nordhausen damit gut ausgekommen sind", so Bollenbach.

Ob nun das Virus wieder eingepackt wird oder nicht, selbst im beschaulichen Thüringer Ländle habe die Aggressivität gegenüber den Beamten, aber auch gegenüber den Rettungskräften deutlich zugenommen. "Erst kürzlich hatte ich ein Gespräch mit der Nordhäuser Feuerwehr. Was die Kameraden da berichteten, das bedarf im Aushalten schon einer sehr hohen Frustationstoleranz. Ähnlich ergeht es den Mitarbeitern der Rettungsdienste".

Dennoch blickt Bollenbach optimistisch nach vorn und kann sich auf rund 700 Mitarbeiter in der Landespolizeiinspektion verlassen, die tagtäglich einen verantwortungsvollen und guten Dienst tun. Fest macht das der erfahrene Polizist an der niedrigen Zahl der zu bearbeitenden Dienstaufsichtsbeschwerden.

An diesem Wochenende beginnt auch die Polizei in Nordthüringen mit einer Aktion, um den interessierten Frauen und Männern den Polizeidienst hautnah zu zeigen. Bislang wollen 30 Bewerber einen Tag mit auf Streife gehen oder fahren.

Noch fährt auch Matthias Bollenbach jeden Tag von Erfurt nach Nordhausen und zurück. Noch wohnt er in der Landeshauptstadt. Die Fahrzeit ist für ihn eigentlich "vergeudete Lebenszeit" und deshalb plant er den Umzug in die Rolandstadt. Und warum erst jetzt? "Bis jetzt bin ich abgeordnet, die eigentliche Versetzung erfolgt erst im Mai. Dann wird umgezogen..."
Peter-Stefan Greiner