Rückblick BUND-Artenschutzeinsätze 2021

Artenrückgang konnte aufgehalten werden

Donnerstag
24.02.2022, 07:54 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Mit 23 landschaftspflegerischen Einsätzen zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt im Raum Nordhausen leisteten Mitglieder und Freunde des BUND-Kreiverbandes Nordhausen 2021 so viel wie noch nie seit 2003 für den Artenschutz...

Neben positiven Entwicklungen bei zahlreichen Pflanzenarten sieht Organisator Bodo Schwarzberg aber auch zahlreiche Probleme im Thüringer System des Naturschutzes.

Insgesamt absolvierten die Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes seit 2010 bisher (Stand Februar 2022) 137 größere Artenschutzeinsätze. Hinzu kommen mehrere Hundert, bereits seit 2003 durchgeführte Kleinstmaßnahmen, die jede für sich genommen positive Effekte auf die oft nur noch kleinen Populationen bedrohter Arten haben können, ja deren Verschwinden verhindern können. Als Beispiel für eine solche Kleinstmaßnahme mag das Entfernen einiger weniger Zweige konkurrierender Sträucher an einem Wuchsort der extrem seltenen und in Thüringen vom Aussterben bedrohten Zimt-Rose (Rosa majalis) in einem Naturschutzgebiet des Landkreises dienen: Durch diese seit 2006 im Abstand mehrerer Jahre durchgeführte, jeweils nur wenige Minuten dauernde Maßnahme hat sich der Bestand des konkurrenzschwachen Strauches und die Größe der einzelnen Exemplare vergrößert. Möglicherweise wäre die Population dieser Art ohne diese Maßnahmen, wie anderenorts auch, längst erloschen. Das Beispiel zeigt die Bedeutung solcher kostengünstig durchzuführenden Kleinstmaßnahmen für die Erhaltung von vom Aussterben bedrohten Arten.

Auf den von uns betreuten Flächen, die sich vor allem in Naturschutzgebieten befinden, siedeln 81 höhere Pflanzenarten, die laut aktueller Roter Liste Thüringen von 2021 (KORSCH & WESTHUS 2021) mehr oder weniger gefährdet sind.

Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen betreuen seit Jahren u.a. eines der letzten Arnika-Vorkommen des gesamten Südharzes. Durch gezielte Erhaltungsmaßnahmen konnte  der Bestand der noch vor wenigen Jahrzehnten sehr häufigen Bergwiesenart nicht nur vor dem wahrscheinlichen Verlust bewahrt, sondern vergrößert werden. Hier ein Teil der Population. (Foto: Bodo Schwarzberg) Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen betreuen seit Jahren u.a. eines der letzten Arnika-Vorkommen des gesamten Südharzes. Durch gezielte Erhaltungsmaßnahmen konnte der Bestand der noch vor wenigen Jahrzehnten sehr häufigen Bergwiesenart nicht nur vor dem wahrscheinlichen Verlust bewahrt, sondern vergrößert werden. Hier ein Teil der Population. (Foto: Bodo Schwarzberg)


Von diesen 81 Pflanzenarten sind zehn in Thüringen vom Aussterben bedroht, 41 gelten als stark gefährdet und 30 als gefährdet.

Mehrere der von uns betreuten Pflanzenarten kommen in Thüringen und teils weit darüber hinaus laut der vorliegenden Literatur wahrscheinlich nur noch oder fast nur noch auf von uns gepflegten bzw. betreuten Flächen vor, so die in Thüringen vom Aussterben bedrohten Arten Feld-Enzian (Gentianella campestris), Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina), Felsen-Schaumkresse (Cardaminopsis petraea) und Schmalblättrige Miere (Minuartia hybrida) – um nur vier zu nennen. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang der Wiedernachweis der auch deutschlandweit vom Aussterben bedrohten Borstigen Glockenblume (Campanula cervicaria) für den Landkreis Nordhausen im Jahre 2014, um die wir uns ebenfalls bemühen. Mehrere mittlerweile in Thüringen stark gefährdete bzw. vom Aussterben bedrohte Pflanzenarten, von denen wir Bestände betreuen, haben einen ihrer wenigen noch vorhandenen Thüringer Verbreitungsschwerpunkte auf den trockenen bzw. feuchten Magerrasen im Landkreis Nordhausen, wie z.B. das Gewöhnliche Katzenpfötchen (Antennaria dioica) und das Sumpf-Herzblatt (Parnassia palustris).

Unter anderem elf Pflanzenarten werden von Mitgliedern und Freunden des BUND-Kreisverbandes in Nordhausen ehrenamtlich im Zuge eines Erhaltungsprogramms für so genannte Verantwortungsarten kultiviert; das sind Arten, für deren weltweite Erhaltung Deutschland eine besondere Verantwortlichkeit zukommt. Hierzu zählen beispielsweise der Deutsche Ginster (Genista germanica), das Spatelblättrige Greiskraut (Tephroseris helenitis ssp. helenitis) und die Graue Skabiose (Scabiosa canescens).

Die Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes konnten den Rückgang bedrohter Arten u.a. im Raum Nordhausen aufhalten:


Entgegen dem Trend
Rückgang der floristischen Biodiversität durch ehrenamtliche Artenschützer aufgehalten

Zur kontinuierlichen Pflege gehört auch eine kontinuierliche Überwachung und Dokumentation vieler Bestände, um die Pflegemaßnahmen notwendigenfalls anzupassen und eine Erfolgskontrolle zu gewährleisten. Auf der Grundlage der so erfassten Daten kommen wir zu der Einschätzung, dass es auf den von uns betreuten / gepflegten Flächen keine bewirtschaftungsbedingten Verluste von laut Roter Liste Thüringens und Deutschlands gefährdeten Gefäßpflanzenarten seit dem Beginn regelmäßiger bzw. kontinuierlicher Einsätze im Jahre 2010 gegeben hat.

Das ist ein großer Erfolg und zugleich der Beleg dafür, dass es ehrenamtlich tätigen Personen ohne größere Unterstützung durch Millionenprojekte und leider auch mit nur begrenzter politischer Unterstützung möglich ist, den Artenschwund aufzuhalten.

Dazu hat neben dem genannten Organisations-, Betreuungs- und Pflegesystem vor allem die gezielte Auswahl der Flächen nach floristischen und pflanzensoziologischen Kriterien sowie nach der vorgefundenen Pflegesituation beigetragen.

Diese Leistung, also der seit Jahren anhaltende, naturschutzfachliche Effekt, wäre ohne den selbstlosen Einsatz von Mitgliedern und Freunden des BUND-Kreiverbandes nicht möglich. Hunderte Stunden an Wochenenden bzw. in ihrer Freizeit haben sie sich dem aktiven Artenschutz gewidmet und sie tun dies weiterhin. Das wird seitens Verantwortlicher im Landkreis (UNB) und Land gerade angesichts der nachweislichen und gut dokumentierten Erfolge meines Erachtens noch zu wenig gewürdigt. Ehrenamtliche Tätigkeiten werden noch zu einseitig meist im natürlich ebenso wichtigen sozialen Bereich verortet.

Immerhin wird das Ehrenamt im Naturschutz in der aktuellen Roten Liste Thüringens seitens der TLUBN, der Thüringer Landesanstalt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz, sozusagen vom Amts wegen mit dem wichtigen Satz gewürdigt:

„Pflegemaßnahmen in Naturschutzgebieten durch engagierte ehrenamtliche Naturschutzmitarbeiter sowie im Rahmen von Naturschutzprojekten haben den weiteren Rückgang oder sogar das Aussterben von Arten verhindern können.“ (KORSCH & WESTHUS 2021)

Diese Aussage können wir anhand von Fakten bestätigen, wenngleich es auch Wermutstropfen zu verlieren gibt:

An einem von uns betreuten Wuchsort des feuchte- und kühleliebenden Glaszialrelikts Alpen-Gänsekresse (Arabis alpina) musste, wohl infolge des extremen Dürrejahres 2018, womöglich der Verlust der Population festgestellt werden. Allerdings ist der Genotyp andernorts im Gebiet sowie in Botanischen Gärten vorläufig gesichert worden. Die 1840 von F.-W. WALLROTH bei uns entdeckte Art wird bei uns mit relativ großer Sicherheit erhalten bleiben.

Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen bei der alljährlichen Mahd eines Magerrasens im neuen Naturschutzgebiet Bromberg bei Niedersachswerfen im August 2021 (Foto: Bodo Schwarzberg) Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes Nordhausen bei der alljährlichen Mahd eines Magerrasens im neuen Naturschutzgebiet Bromberg bei Niedersachswerfen im August 2021 (Foto: Bodo Schwarzberg)


In diesem Zusammenhang muss leider festgestellt werden, dass sich der Klimawandel immer deutlicher auf die Pflanzendecke auswirkt: So nahm eine durch unsere Pflegemaßnahmen bereits ab 2003 gerettete Population des Helm-Knabenkrautes bezogen auf die Anzahl blühender Pflanzen bis 2015 von 4 auf 56 (2015) zu, seitdem scheint die jahrelang eindeutig positive Entwicklung bei den blühenden Exemplaren (bei allerdings zahlreichen sterilen Pflanzen) vorerst gestoppt zu sein. Ähnliches lässt sich bei anderen, vor allem feuchteliebenden Arten feststellen.

Außerhalb der von uns betreuten Flächen fielen uns Verluste mutmaßlich auch durch Bewirtschaftungsfehler auf. So verschwand in der Rüdigsdorfer Schweiz ein seit langem bekanntes Vorkommen des in Thüringen stark gefährdeten Braunen Mönchskrautes (Nonea pulla) und eines des stark gefährdeten Ährigen Blauweiderichs (Veronica spicata). Bei einer Begehung wurde einer Mitarbeiterin des Landschaftspflegeverandes Südharz-Kyffhäuser die Situation vor Ort gezeigt.

Praktisch alle von uns betreute Arten sind konkurrenzschwach, sie benötigen magere, das heißt nährstoffarme Bodenverhältnisse und sie siedeln überwiegend auf besonnten Trocken- und Halbtrockenrasen sowie in Niedermooren, einige auch in lichten Wäldern. Manche sind Ackerwildkräuter im Übergang von Magerrasen zu Äckern, die durch die moderne, intensive Landwirtschaft an den Rand des Aussterbens gebracht wurden. - Zumindest die Magerkeit und die Lückigkeit versuchen wir aktive Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes mit unseren Maßnahmen gezielt zu erhalten.


Schieflagen im staatlichen Naturschutz



a) Defizite im Monitoring und in der gezielten Organisation von Erhaltungsmaßnahmen


Es gibt Defizite im Monitoring und in der gezielten Organisation von Erhaltungsmaßnahmen auf Grundlage dieses Monitorings bzw. von wissenschaftlichen Erkenntnissen über die Ökologie der jeweiligen bedrohten Arten durch die staatlichen Stellen. So wurden von zahlreichen Artenkennern über viele Jahre hinweg die Bestände bedrohter Arten in Thüringen erfasst. Es fehlt aber eine fortlaufende, kontinuierliche Beobachtung und quantitative sowie qualitative Erfassung vieler dieser Bestände als Grundlage für Erhaltungsmaßnahmen, wie wir das im Landkreis Nordhausen mit Erfolg praktizieren.
Es scheint so zu sein, dass durch die so entstehenden Beobachtungslücken viele Verluste von Populationen dieser Arten nicht bzw. zu spät bemerkt werden, um noch gegenzusteuern. Das ist gerade angesichts des grassierenden Klimawandels wahrscheinlich hochproblematisch für viele Vorkommen. Dieses vorhandene Nichtwissen aber macht auch Konflikte mit den Bewirtschaftern sensibler Flächen sowie den Unteren Naturschutzbehörden sowie Landschaftspflegeverbänden unwahrscheinlicher, was wiederum den Arten- bzw. Wuchsortverlust antreiben kann.

b) Nichteinhalten internationaler und nationaler Regelungen zum Artenschutz

Zwar gibt es zahlreiche internationale und nationale Regelungen, in denen der Erhaltung der Biodiversität hohe Priorität eingeräumt wird. Einheit von Wort und Tat liegen jedoch, wie so oft weit auseinander.

Frühere bundesdeutsche Willensbekundungen, so zum Beispiel jene, den Schwund der Biodiversität bis 2010 zu stoppen, konnten national leider ebensowenig erfolgreich umgesetzt werden, wie die selbstauferlegten Verpflichtungen aus der darauffolgenden „UN-Dekade der Biologischen Vielfalt“ von 2011 bis 2020, in der man das Ruder doch nun endlich herumreißen wollte.

Als hinsichtlich der tatsächlichen Entwicklung problematisch erweisen sich beim Vergleich von Soll und Ist über die zurückliegenden Jahrzehnte hinweg zum Beispiel auch die Schutzgebietsverordnungen für unsere Naturschutzgebiete, in denen es z.B., hier für das NSG Pfaffenköpfe, unter Punkt 11 heißt:

„Zweck der Festsetzung als Naturschutzgebiet ist es, Bedingungen zu erhalten oder zu entwickeln, die die biologische Vielfalt des Gebietes begünstigen und seltene, gefährdete und gesetzlich geschützte Tier- und Pflanzenarten, insbesondere Orchideen, Vögel, Reptilien und Insekten, vor nachhaltigen Beeinträchtigungen, Störungen und Veränderungen zu bewahren.“

Dabei wurde ja bereits 1992 die Flora-Fauna-Habitatrichtlinie der EU verabschiedet, die insbesondere die Erhaltung so genannter Lebensraumtypen von gemeinschaftlicher Bedeutung zum Ziel hat, die sich ja meist auch in unseren Naturschutzgebieten befinden. Erste Managementpläne für die FFH-Gebiete z.B. im Landkreis Nordhausen aber gab es, trotz galoppierender Probleme im Arten- und Biotopschutz für viele Gebiete, erst z.T. weit nach der Jahrtausendwende.

Trotz dieses Verzugs hapert es nun auch noch bei der Umsetzung der Pläne: Die bisher deutlichste Bestätigung dieser Einschätzung kam von der EU-Kommission, die Deutschland beim Europäischen Gerichtshof im Jahre 2021 verklagt hat, also fast 30 Jahre nach Inkrafttreten der EU-Richtlinie:

„Die Behörde bemängelte u.a., dass die für die einzelnen Gebiete festgelegten Erhaltungsziele nicht hinreichend quantifiziert und messbar seien. Die EU-Kommission gehe davon aus, dass es in allen Bundesländern und auf Bundesebene Praxis war, „für alle 4.606 Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung keine hinreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele festzulegen“. Dies habe erhebliche Auswirkungen auf die Qualität und Wirksamkeit der Maßnahmen.“ https://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/klage-gegen-deutschland-verstoesse-im-naturschutz-eu-kommission-verklagt-deutschland-vor-eugh/26928760.html

Angesichts dieser Anklage muss auch die Wirksamkeit des „Bundesprogramms Biologische Vielfalt“ von 2011 kritisch hinterfragt werden, welches laut Bundesamt für Naturschutz eigentlich die Umsetzung der Nationalen Strategie zur Biologischen Vielfalt (NBS) von 2007 unterstützen sollte und wahrscheinlich noch soll. Als Teil des Bundesprogramms wurden 30 so genannte Hotspotregionen „mit einer besonders hohen Dichte und Vielfalt charakteristischer Arten, Populationen und Lebensräume“ bestimmt. (https://biologischevielfalt.bfn.de/bundesprogramm/foerderschwerpunkte/hotspots.html). Im Landkreis Nordhausen befinden sich Teilbereiche der Hotspotregion 18 (Südharzer Zechsteingürtel, Kyffhäuser, Hainleite) und der Hotspotregion 19 (Harz).

c) Beispiel: Landkreis Nordhausen

Der Landschaftspflegeverband Südharz-Kyffhäuser e.V. setzt zwischen 2018 und 2023 das „BfN-Hotspotprojekt Gipskarst Südharz - Artenvielfalt erhalten und erleben (Hotspot-Region 18)“ um, welches laut dessen Homepage mit 4,5 Mio. Euro aus Mitteln des BfN und des grünen Thüringer Umweltministeriums gefördert wird, also mit Steuermitteln, wobei ein Eigenanteil aus der Schatulle des Landkreis Nordhausen beigesteuert wurde.

Bei einem so hoch dotierten Großprojekt und angesichts der Forderungen, die sich aus der FFH-Richtlinie mit ihrem gelegentlich unterschlagenenen „Verschlechterungsverbot“ und den Schutzgebietsverordnungen ergeben, wäre es eigentlich zu erwarten, dass alle im Zuge der Umsetzung praktizierten Maßnahmen mit größtmöglicher Rücksichtnahme auf die zu fördernde Artenvielfalt erfolgen.

Die Befahrung von Magerrasen mit die sensible, teils orchideenreiche Vegetationsdecke teilweise zerstörender schwerer Technik inklusive Rodungen von Gehölzen im Winter 2019/2020, erfolgt in den NSG Hundegrube Katzenschwanz und NSG Sattelköpfe, oder auch die Mahd eines Halbtrockenrasens mit einem von uns seit langem betreuten Vorkommen des vom Aussterben bedrohten Feld-Enzians (Gentianella campestris) während der Blütezeit der Art entgegen Absprachen zeichnen jedoch ein kritisches Bild. Im ersteren NSG gab es zunächst deutliche, negative und dokumentierte Vegetationsveränderungen, die dem Ziel, Magerrasen im Sinne des FFH-Verschlechterungsverbotes zu erhalten, nicht entsprechen. Sie verhinderten zeitweise sogar die eigentlich vorgesehene landwirtschaftliche Nutzung auf Grund der verstärkten Entwicklung beweidungsschädlicher Pflanzenarten.

Dabei sind die auf relativ großen Flächen seitens des LPV durchgeführten Maßnahmen im Zuge des Hotspotprojekts an sich zu begrüßen. Sie könnten die erfolgreichen, kleinflächiger durchgeführten Maßnahmen von Mitgliedern und Freunden des BUND-Kreisverbandes Nordhausen durchaus ergänzen und deren Wirkung u.U. potenzieren. Denn es sind Flächen dringend nötig, auf denen sich bedrohte Pflanzenarten wieder ansiedeln können. Entscheidend ist dabei aber u.a. die Frage, ob es durch eine langfristig gesicherte naturschutzfachlich geeignete unter dem Strich tatsächlich zu einer Verbesserung der Situation der „(FFH)-Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse“ und insbesondere der bedrohten Arten kommt. Das oben genannte Beispiel lässt zumindest stellenweise Zweifel aufkommen.

Wenn im Sinne der Anklage Deutschlands durch die EU-Kommission beim Europäischen Gerichtshof (keine „hinreichend detaillierten und quantifizierten Erhaltungsziele“) konkrete qualitative, sich an einzelnen Arten orientieremde Ziele festgelegt wären, dann wären schädigende Pflegemaßnahmen z.B. im Zuge des Hotspotprojektes des LPV Südharz-Kyffhäuser.e.V. sicher weniger wahrscheinlich.

Außerdem ist die Frage entscheidend, was sich auf den im Zuge des Projekts jetzt gepflegten Flächen nach dem Projektende 2023 tut. Kann eine dauernde, geeignete, extensive Bewirtschaftung nicht sicher gestellt werden, kann sich ein eventueller kurzfristiger Erfolg schnell ins Gegenteil verkehren. Daran wird sich auch das derzeit grüne Umweltministerium in Erfurt messen lassen müssen. Sind die 4,5 Mio. Euro Steuergeld für den LPV gut angelegt? Wir werden sehen. - Die Befristung von öffentlichen Projekten außerhalb des Ehrenamts sind mitunter ein Dilemma für den im Naturschutzbereich oft erst längerfristig möglichen Erfolg, was natürlich auch oft die Effektivität der gewährten Steuermittel infrage stellt.

Der erfolgreichen Umsetzung des Bundesprogrammes Biologische Vielfalt auch nicht immer dienlich sind Probleme mit dem für Landwirte geltenden Programm KULAP. Da es sich hierbei um ein Landwirtschaftsprogramm handelt, für das in Nordthüringen das Landwirtschaftsamt Bad Frankenhausen zuständig ist, entspricht die Umsetzung leider nicht immer den Erhaltungszielen, die sich z.B. aus den Schutzgebietsverordnungen und der FFH-Richtlinie ergeben: So ist eine zu intensive Beweidung oder auch Mulchen, wie sie stellenweise auch in Naturschutzgebieten des Landkreises Nordhausen auf Magerrasen betrieben werden, nicht immer sinnvoll, wenn man doch eigentlich dem Verschlechterungsverbot und der Förderung der Artenvielfalt in einer erklärten Hotspotregion entsprechen und Vorgaben der FFH-Managementpläne umsetzen will.

So wurde für ein Naturschutzgebiet des Landkreises Nordhausen in einem Gutachten nachgewiesen, dass sich eine gegenwärtig praktizierte zu intensive Beweidung nachteilig auf den laut FFH-Richtlinie eigentlich zu erhaltenden Lebensraumtyp von gemeinschaftlichem Interesse LRT 6110* (Kalk- oder basenhaltige Felsen mit Kalk-Pionierrasen des Alysso-Sedion albi) auswirkt.

Zu einer entsprechenden Begehung des Gebietes mit Vertretern u.a. der TLUBN und des LPV wurde ich durch die Untere Naturschutzbehörde Nordhausen aber ausgeladen, wie mir die Behörde TLUBN mitteilte (siehe nnz). Dabei war ich letztlich Initiator des Gutachtens und indirekt auch der Begehung. Zudem sind mir im Nachgang keine Veränderungen bekannt geworden, die zu einer wirklich wirksamen Verbesserung der Pflegesituation für die dort zahlreich siedelnden z.T. hochgradig bedrohten Pflanzenarten, deren Existenz nun bedroht ist, hätten führen können.Hier werden wir jedoch keinesfalls aufgeben. Einheit von Wort und Tat sollte Priorität in der Politik einer grünen Ministerin und darauf fußend auch in den Maßnahmen der in ihren Land agierenden Behörden haben.

Unbestritten ist, dass eine größerflächige Erhaltung von zahlreichen Flächen mit Lebensraumtypen von gemeinschaftlichem Interesse ohne unsere Landwirte schlichtweg unmöglich wäre. Die Landwirte bedürfen daher aber dringend einer angemessenen finanziellen Förderung sowie Weisungen, die den genannten Artenschutzzielen tatsächlich gerecht werden. Das Landwirtschaftsprogramm KULAP muss sich ganz in diesem Sinne an den Schutzzielen der Schutzgebiete und an der FFH-Richtlinie, also an Naturschutzvorgaben, orientieren. Das ist bis heute noch zu wenig der Fall.

Geschieht all das nicht, können die Widersprüche zu den nationalen Erhaltungszielen und zur FFH-Richtlinie auf manchen Flächen wohl kaum aufgelöst werden.

d) Nicht Eingehen auf Unterstützungsangebote

In diesem Zusammenhang müssen wir im aktiven Artenschutz aktive Mitglieder und Freundes des BUND-Kreisverbandes kritisieren, dass die Untere Naturschutzbehörde und der Landschaftspflegeverband auf konkrete, über die bestehenden Vereinbarungen hinausgehende Angebote zur Zusammenarbeit beim vorausschauenden Schutz für die Bestände bedrohter Arten seit Jahren konsequent und trotz unserer Erfahrungen nicht eingehen.

Dabei wird diese Zusammenarbeit vom BfN (Bundesamt für Naturschutz) für die Hotspot-Projekte ausdrücklich gefordert: „Regionale Partnerschaften“ aus Städten und Gemeinden, Naturschutzakteuren sowie Wirtschafts- und Sozialpartnern sollen so eine langfristige Sicherung der Hotspots gewährleisten“, steht auf der BfN-Homepage.

Zum Beispiel wäre es im Interesse so manchen Vorkommens bedrohter Arten sinnvoll, vor flächigen Maßnahmen im Zuge des Hotspot-Projektes mit uns als Gebietskenner Kontakt aufzunehmen, um mögliche Beeinträchtigungen zu verhindern, zumal es ja solche Beeinträchtigungen im Zuge von öffentlichen landschaftspflegerischen Maßnahmen (siehe oben) bereits gegeben hat.

Um hier etwas voranzubringen, wurde durch uns in Zusammenarbeit mit dem Ministerium eine ständig zu erweiternde Liste mit bedeutenden Artvorkommen in der Hoffnung erstellt, auf dass diese künftig bei Pflegeplanungen mehr Berücksichtigung finden. Bisher kamen jedoch weder die Untere Naturschutzbehörde noch der Landschaftspflegeverband wegen einer diesbezüglichen Zusammenarbeit auf uns zu. Dadurch aber drohen weitere, an sich vermeidbare Beeinträchtigungen von womöglich überregional bedeutsamen Artvorkommen. Genau diese Gefahr vermeidbarer Beeinträchtigungen aber scheint die EU-Kommission mit ihrer oben erwähnten Klage verhindern zu wollen.

Übrigens würde eine Mitgliedschaft des BUND-Kreisverbandes im Landschaftspflegerverband von diesem schriftlich abgelehnt.

e) Was geschieht mit den Datensätzen der Kartierer?

In Thüringen war die Rot-Rot-Grüne Landesregierung und speziell das grüne Umweltministerium zudem bisher nicht der Lage bzw. offensichtlich scheinbar nicht wirklich gewillt, die durch fleißige Kartierer für das ganze Land vorliegenden Datensätze über die Vorkommen von gefährdeten Pflanzenarten in ihre Invesitionsvorhaben im Rahmen des Hotspotprojektes sowie in landwirtschaftliche Programme zum Beispiel dadurch einzubringen, dass nur Pflegemaßnahmen erlaubt sind, die die Ansprüche dieser Arten ausreichend berücksichtigen.

Hier frage ich mich wirklich, warum diese aufwändige, sich über viele Jahre erstreckende ehrenamtliche Tätigkeit der Artenkenner überhaupt in Auftrag gegeben wurde. Wenn die von uns erhobenen Daten nur für die Abfassung der nächsten Roten Listen dienen, so ist das angesichts des Artenrückganges einfach zu wenig. Verluste können oft nur verhindert werden, wenn die bekannten Vorkommen der Arten, mitentscheidend für Pflegemaßnahmen sind. Von Umweltminsterin Siegesmund würde ich mir hier viel mehr erwarten, wenn sie glaubwürdig bleiben will.

f) Ehrenamtliche bekommen zu wenig

Das NALAP-Programm ist zum Beispiel für pflegende Vereine wie den BUND-Kreisverband Nordhausen, also nicht für Landwirte, vorgesehen. Wir sind froh, dass es dieses Programm gibt, da wir über die darüber bezogenen Mittel unsere Technik in Ordnung halten und Verpflegung für die Einsatzbeteiligten kaufen können.

Angesichts aber der Tatsache, dass wir, wie oben beschrieben, mit Erfolg die Betreuung und Erhaltung von Vorkommen von 81 in Thüringen gefährdeten Pflanzenarten gewährleisten, und das noch dazu kontinuierlich seit vielen Jahren, müsste die Vergütung deutlich höher ausfallen.

Diese Forderung ergibt sich schlichtweg aus der nachweisbaren Effektivität unserer Arbeit.

e) Sind nur unkritische Artenkenner gute Artenkenner?

„Ohne Artenkenner kann es keinen Naturschutz geben“, bekräftigte der langjährige, anerkannte leitende Mitarbeiter der heutigen Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft, Umwelt, Bergbau und Naturschutz Dr. Werner Westhus in einer mdr-Sendung. https://www.mdr.de/mdr-garten/pflegen/nachwuchssorgen-botaniker-verschwinden-der-artenkenner-interview100.html

Er beklagte darin den Verlust des Wissens über die Arten, deren Ansprüche und Vorkommen u.a. durch die zunehmende Überalterung der Artenkenner und fehlende Artenkenntnis beim wissenschaftlichen Nachwuchs und bei den Lehrern.

Mir persönlich scheint jedoch manchmal, dass das Wissen lokaler Gebiets- und Artenkenner nicht wirklich gebraucht wird, und das vor allem dann nicht, wenn diese es dazu verwenden, nachweisliche Fehler der Politik und von Naturschutzakteuren im Staatsdienst sowie von sonstigen Empfängern von viel Steuergeld im Naturschutz zu benennen, Gegenvorschläge und Unterstützungsangebote zu machen.
Wir im Artenschutz aktive Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes wissen um die Erfolge unserer Arbeit, worüber wir auch eine Publikation planen, und wir wünschen uns seitens der öffentlichen Institutionen bis hin zur grünen Umweltministerin Siegesmund mehr Aktivität und mehr Geld für den konkreten Artenschutz sowie eine Berücksichtigung der wissenschaftlichen Basiserfahrungen im Naturschutz in der Umsetzung von Naturschutz- und wirtschaftlichen Maßnahmen.

Wir wünschen uns mehr Selbstkritik und mehr Einheit von Wort und Tat im staatlichen Naturschutz und weniger das Gefühl, nur eine Art behördlicher Dauerlethargie und Dauerüberforderung mit unseren Ideen und Aktivitäten zu stören. Und wir benötigen mehr, auch politische Unterstützung, zum Beispiel, wenn es um die Revitalsierung früherer Wuchsorte bedrohter Arten mit in Kultur herangezogenen Pflanzenexemplaren im Sinne nationaler und internationaler Vereinbarungen zum Artenschutz geht.

Ob ausgerechnet die gerade bekannt gewordene Ernennung des bisherigen Thüringer BUND-Landesgeschäftsführers Dr. Burkhard Vogel zum Staatssekretär im Umweltministerium etwas zum Guten bewirken wird, - darauf sind wir alle gespannt. Ist er doch seit Jahren über die Probleme hier im Landkreis Nordhausen von uns stets auf dem Laufenden gehalten worden. https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/staatssekretaer-umwelt-moeller-siegesmund-100.html

Die Hoffnung stirbt bekanntlich immer zuletzt.

Literatur: KORSCH, H. & W. WESTHUS (2021): Rote Liste der Farn- und Blütenpflanzen (Pteridophyta et Spermatophyta) Thüringens. - Rote Listen Thüringens. 6. Fassung, Stand 10/2020.-Naturschutzreport Heft 30:346-372

Bodo Schwarzberg
Mitglied des BUND-Kreisverbandes Nordhausen