Von einem der auszog und ankam

"Ich glaube, ein Leben ist zu wenig"

Freitag
18.02.2022, 11:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Wer 60 Lebensjahre “auf dem Buckel” hat, der kann schon einiges erzählen. Wer die Hälfte davon nicht nur in ein und derselben Bank arbeitet, sondern noch in einem “anderen” Land, der kann ein weiteres Kapitel drauflegen…

Peter Herbst (Foto: privat) Peter Herbst (Foto: privat)
Im November vorigen Jahres feierte Peter Herbst seinen 60. Geburtstag. Eigentlich ein Grund, Freunde, Familie und Bekannte einzuladen. Doch Corona und die daraus resultierende pandemische Lage machten dem Vorstand der Nordthüringer Volksbank einen Strich durch private Rechnung.

Peter Herbst und der Autor dieser Zeilen kamen beide im Jahr 1992 dienstlich nach Nordhausen. Der eine Peter kam aus östlicher Richtung nach Nordhausen, der andere aus westlicher. Dort, im ehemaligen Zonenrandgebiet, absolvierte Peter Herbst eine Ausbildung in der Lauterberger Volksbank, wurde dann Kreditsachbearbeiter, machte einen Abstecher als Profifußballer und gang dann wieder zurück in die Bank.

Nun ist Herbst kein Mensch der großen und langen Reden (“ich kann so geschwollen nicht reden”). Im Gegenteil, er sagt das, was ihn bedrückt, gerade heraus. Und das ist nicht unbedingt förderlich für das Weiterkommen in einer Bankkarriere, die er mit einer Kündigung schon mal für ein Jahr unterbrach. 24 Jahre jung war er damals, als er dem Vorstand der Lauterberger Volksbank seine Kündigung auf den Schreibtisch legte.

Und genau der damalige Vorstand der Volksbank in Bad Lauterberg, der das Schreiben entgegennahm und seine Kündigung bestätigte, war es, der - inzwischen Vorstand der Nordthüringer Volksbank - ihn 1992 nach Nordhausen holte. Auch im “Osten” war er zunächst Kreditberater, stieg aber schnell zum Vorstand auf, denn eine Fusion der Nordhäuser Bank mit der in Bad Frankenhausen stellte mit die entscheidenden Weichen.

Und so war Peter Herbst ein Wessi im Osten, den er vor dem 9. November 1989 noch nie besucht oder betreten hatte, war “umzingelt” von Menschen, die völlig anders sozialisiert waren und doch am Aufbau des Neuen teilhaben wollten. “Ich beobachtete in den Mittagspausen sehr oft das Entstehen der Südharz Galerie und war beeindruckt vom Tempo der Arbeiten.” Von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wurde er nicht nur herzlich aufgenommen, die meisten der damaligen Quereinsteiger konnten in der zurückliegenden Zeit ihr 30-jähriges Dienstjubiläum mit Herbst feiern. Der Mann hatte sich schnell angefreundet mit dem, was damals den Osten ausmachte und heute noch vom Westen unterscheidet. Nur mit einem hatte er Probleme: er brachte damals das Toilettenpapier immer mit aus dem Westen. “Das ist nur eine unwesentliche Facette aus dieser Zeit, die ich gern in gemütlicher Runde erzähle. Ich habe als Wessi durchgehalten, wollte nie arrogant sein, Es ist aber auch schon mal vorgekommen, dass am Ende von Kreditgesprächen mir das vorgeworfen wurde. All das war aber in Summe so prägend für mein weiteres Leben, dass ich heute gelassen sagen kann: eigentlich ist ein Leben zu kurz, um alles zu verinnerlichen. Wir haben damals einfach gemacht, hatten einen winzigen Bruchteil der heutigen, alles erstickenden Bürokratie.”

Die überbordende Bürokratie hat es dem Banker besonders “angetan”. Sie erstickt ihn mitunter in der alltäglichen Arbeit. “Wenn wir in den 1990er Jahren dieses Monster gehabt hätten, dann hätte es vermutlich die Südharz Galerie und vieles andere Neue in Nordhausen und darüber hinaus nicht gegeben.”

Peter Herbst ist immer noch im “Westen” beheimatet. “Genau deshalb, weil es meine Heimat ist, meine Eltern lebten dort und ich kann mich einfach nicht davon trennen”, sagt er im Gespräch mit der nnz. Kurz nach seiner Scheidung, im Jahr 2015, gab es die Überlegung zum Ortswechsel, die jedoch wenig später wieder begraben wurde. Und so fährt er nahezu jeden Tag die 30 Kilometer hin und wieder zurück. Kurz nach 5 Uhr geht es in Bad Lauterberg los, eine halbe Stunde später ist er in der Bank. Auf den Straßen begegnet ihm dann eine Lichterkette von Fahrzeugen in Richtung Westen. Für ihn ein Indiz, dass immer noch viele Frauen und Männer ihrer Arbeit im “Westen” nachgehen. Als Banker weiß er warum - es wird eben immer noch unterschiedlich bezahlt.

In fünf Jahren will Herbst in Rente gehen. Bis dahin hofft er, dass ihm der Job noch Spaß macht. Der Nachwuchs ist inzwischen schon in die Vorstandsetage eingezogen. Peter Herbst und Marco Schmidt sitzen, man glaubt es kaum, in einem Arbeitszimmer und “es fühlt sich gut an”. Für Peter Herbst war das Team der Bank immer der Schlüssel zum Erfolg, wie die Mannschaft es im Fußball ist. Obwohl es immer schwerer wird, Nachwuchs für das Team zu finden, ist dem 60-jährigen nicht bange. Es gibt immer neue Ideen, die dann umgesetzt werden müssen. Zum Beispiel der Neubau der Volksbank in Sömmerda für zehn Millionen Euro, der vermutlich nicht so schnell vonstatten gehen wird wie der Bau der Südharz Galerie. Aber das hat schon wieder mit dem Reizwort “Bürokratie” zu tun.

Diese Bürokratie konnte dennoch nicht “verhindern”, dass die Nordthüringer Volksbank auf ein solides Geschäftsjahr 2021 zurückblicken kann. Unsere Bank hat in allen wichtigen Bereichen gute Zuwächse erzielt und ein gutes Betriebsergebnis erreicht. Die Bilanzsumme beträgt 850 Millionen Euro. Die bilanziellen Kundeneinlagen erreichten zum Jahresende 2021 den Betrag von 657 Millionen Euro. Der Schwerpunkt in der Beratung der Kundinnen und Kunden – ob persönlich oder im Onlinebanking – lag dabei in der Optimierung der Vermögensstruktur mit Schwerpunkt auf einen neuen Depot-Angebot für junge Kunden.

Die in der Bilanz eingestellten Kundenkredite stiegen auf 351 Millionen Euro. Besonders gefragt waren Finanzierungen rund um die private Immobilie. „Das Interesse am Eigenheim ist ungebrochen, den weiterhin steigenden Preisen zum Trotz. Während sich die Nachfrage in früheren Jahren auf die Städte konzentrierte, wird inzwischen immer öfter in ländlichen Räumen investiert. Ein Grund dafür ist, dass die Menschen heute dank des vermehrten mobilen Arbeitens nicht mehr so häufig lange Pendelstrecken in Kauf nehmen müssen“, erläutert Peter Herbst.

Die Verbundenheit zur Region stellte die Nordthüringer Volksbank erneut auch dadurch unter Beweis, dass sie zahlreiche Vereine und Initiativen unterstützte. Mittel der Bank kamen in der Region beispielsweise den Tafeln, Sport- und Fußballvereinen (SV Blau-Weiß 91 Bad Frankenhausen, LV Altstadt 98 Nordhausen) zugute. Insgesamt beliefen sich Spenden und Sponsoring der Volksbank, von denen Kindergärten, Schulen und Vereine in der Region im vergangenen Jahr profitierten, auf etwa 100.000 Euro. Die Bank wird auch weiterhin ein verlässlicher Partnern sein.

Vertrauen ist mitunter im Bankgeschäft wichtiger als Zinskonditionen, “Vertrauen”, so Peter Herbst, “schaffen keine Algorithmen oder Apps. Vertrauen schaffen die Menschen, die unsere Produkte und Dienstleistungen anbieten. Die gemeinsam mit unseren Kundinnen und Kunden Probleme lösen können. Ihnen allen, also den Kunden sowie unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, danke ich aufs Herzlichste für Ihre Treue und Verlässlichkeit sowie für ihre engagierte Arbeit in unserer Nordthüringer Volksbank.
Peter-Stefan Greiner