Größere Lockerungen erst ab 20. März vorgesehen

Bund-Länder-Gipfel beschließt Teilimpfpflicht

Mittwoch
16.02.2022, 17:40 Uhr
Autor:
osch
veröffentlicht unter:
Mit vielen vagen Formulierungen und sehr vorsichtigen Schritten bewegen sich Bundeskanzler und Ministerpräsidenten aus der Corona-Krise. Einig war sich die Ministerpräsidentenkonferenz bei der Impfpflicht für medizinisches und Pflegepersonal. Die kommt zum 16. März. Und Geimpfte dürfen sich wieder unbegrenzt privat treffen …

Blick vom Reichstag in Berlin (Foto: oas) Blick vom Reichstag in Berlin (Foto: oas)

Die Omikron-Welle ist gebrochen, die 7-Tage-Inzidenz sinkt seit letztem Donnerstag beständig, auch der R-Wert (besagt, wie viele andere Personen ein Infizierter ansteckt) fällt weiter und lag gestern mit 0,88 deutlich unter dem angestrebten Wert von 1. Omikron erweist sich offensichtlich als so harmlos, wie es von seiner Entdeckerin, der südafrikanischen Ärztin Dr. Cotzee, schon immer beschrieben wurde. Jetzt bestätigen auch deutsche Institute und die vorliegenden Zahlen des Robert-Koch-Instituts, dass sie fast fünfmal weniger tödlich ist als ihr Vorgänger, die Delta-Variante. Auch bei Patienten, die älter als 60 Jahre sind zeigt sich die Omikron-Todesrate mit 1,1 Prozent deutlich weniger gefährlich als Delta, als die Rate noch bei 2, Prozent lag.

Selbst Bundesgesundheitsminster Karl Lauterbach sagte inzwischen der BILD-Zeitung, dass es keine Überlastung der Intensivstationen der Krankenhäuser gebe und eine dauerhaft niedrige Belegung der Intensivbetten vorläge (seit drei Wochen deutschlandweit unter 2500). Zuletzt sind zwar mehr Patienten dazugekommen, doch die Kliniken erwarten keine Überlastung mehr. Immer häufiger wird bei offiziell gemeldeten Corona-Patienten das Virus nur zufällig festgestellt. In Bremen und im Saarland ist nach Angaben verschiedener Medien nur noch ein Viertel der als Corona-Patienten Gelisteten wegen Corona im Krankenhaus.

Dennoch gab es heute in der Konferenz zwischen Bundeskanzler Scholz und en Ministerpräsidenten der Länder nur kleine Tippelschrittchen in Richtung Freiheit. Im ersten wurde verkündet, die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte seien aufgehoben. Zweitens soll ab dem 4. März der Zugang zur Gastronomie unter 3G ermöglicht werden. Bis dahin bleiben Clubs und Diskotheken weiterhin geschlossen. Und erst am 20. März sollen dann „alle tiefgreifenderen“ Maßnahmen abgeschafft werden. Genau definiert wurde im einzelnen jedoch nicht, was „tiefgreifend“ bedeutet. Die „niedrigschwellige Maßnahmen“ sollen auch dann weiter bleiben. Darunter zählt die Maskenpflicht, die uns also in Innenräumen und im öffentlichen Nahverkehr auch im Sommer erhalten bleibt.

Bund und Länder einigten sich darauf, die Einstufung von Hochrisikogebieten anzupassen, damit Eltern mit umgeimpften Kindern auch in den Urlaub fahren können. Als „vom Regen in die Traufe“ läßt sich der Beschluss beschreiben, wonach zukünftig nicht mehr das RKI über den Genesenenstatus entscheidet, wohl aber der Bundesgesundheitsminister (momentan Karl Lauterbach). Das RKI hatte angeblich ohne Wissen des Ministers in einer Nacht- und Nebelaktion aus sechs Monaten drei gemacht. Warum die hohe Konferenz heute diesen weitreichenden Eingriff eines medizinischen Instituts in politische Entscheidungen nicht zurücknehmen konnte, wurde nicht mitgeteilt.

Auf die Impfpflicht für Beschäftigte in der Pflege und im Gesundheitswesen wurde sich in der Runde ohne weitere Wortmeldungen einstimmig verständigt. Spannend wird die Umsetzung vor Ort in den Bundesländern bzw. den zuständigen Gebietskörperschaften. Konkrete Details lässt der heutige Beschlusstext recht blumig offen, stattdessen heißt es dort: „Mit dem Ziel, dabei auch die Versorgung in den betroffenen Einrichtungen weiterhin flächendeckend sicherzustellen befinden sich die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister des Bundes und der Länder in einem intensiven Abstimmungsprozess.“

Im Gegensatz zu diesen zaghaften Beschlüssen, die jetzt noch einmal in den Bundesländern zerpflückt und hoffentlich vernünftig angepasst werden, bricht in unseren Nachbarländern Schweiz und Österreich sehr schnell die neue Freiheit aus. Beide streichen - ähnlich wie die skandinavischen und andere europäischen Länder - alle Maßnahmen, außer einer Maskenpflicht im Öffentlichen Nahverkehr. Die Schweiz ab morgen, Österreich ab dem 5. März.

Von einem „Freedom Day“ in Deutschland kann also auch nach dem 20. März nicht die Rede sein, zumal sich die Regierungen von Bund und Ländern alle durch das Infektionsschutzgesetz abgedeckten neuerlichen Einschränkungsmaßnahmen jederzeit vorbehalten. An der allgemeinen Impfpflicht gegen Corona soll ebenso festgehalten werden. Nach Willen von regierenden Grünen-Politikern soll im März debattiert und im April darüber abgestimmt werden.

All diese angesichts des sich rasant verbessernden Infektionsgeschehens unbefriedigenden Maßnahmen sind nicht dazu angetan, die Bewegung der Spaziergänger zum Stillstand oder gar zum Aufhören zu bewegen. Unterm Strich bleibt heute als einzige Sofortmaßnahme die Lockerung, dass sich Geimpfte wieder straflos treffen dürfen. Jetzt sind die Landesfürsten am Zuge und es wäre nicht das erste Mal, dass schon wenige Stunden nach Verkündigung der Berliner MPK-Einigung die ersten wieder ausscheren. Schauen wir also gespannten in Richtung München.
Olaf Schulze

Kleiner Nachtrag zu Tests und Masken in Schulen und Kindergärten:
Statistiker der Ludwig-Maximilian-Universität München analysierten, dass weniger als zwei Prozent der Ansteckungen aus Schulen kommen. Dazu passt eine Meldung aus Dänemark. Hier hat das Dänische Statens Serum Institut (vergleichbar mit dem RKI in Deutschland) die Behauptung „Kinder erkranken schwer an Corona“ widerlegt. „Die meisten Kinder erleiden keine oder eine sehr leichte Erkrankung, wenn sie mit COVID-19 infiziert sind. Im Vergleich zu älteren Menschen ist COVID-19 bei Kindern im Allgemeinen eine sehr milde Erkrankung“, steht auf der Homepage des Instituts. Hospitalisierte dänische Kinder sind demnach in der Regel nach weniger als zwölf Stunden wieder zu Hause. Schließlich stellt sich auch heraus, dass die Impfquote in Deutschland viel höher ist, als in der Statistik ausgewiesen. Das RKI gab zu, dass „Impfungen nicht gemeldet worden“ seien. Das ist bis heute so. In Hamburg beispielsweise sollen 90 000 Impfungen aus 2021 fehlen, die impfende Hausärzte zwar abgerechnet, aber nicht gemeldet haben.