GRÜNE LIGA: Politik muss endlich Weichen für eine Bauwende stellen

Gips- und Anhydritstein als Gestein des Jahres gekürt

Sonnabend
01.01.2022, 09:37 Uhr
Autor
red
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Die Fachzeitschrift "Geowissenschaftliche Mitteilungen" teilte die Entscheidung zum Gestein des Jahres in ihrer aktuellen Ausgabe mit. Mit der Nominierung solle die Bedeutung von Gips und Anhydrit einer breiten Öffentlichkeit nahegebracht werden...

Gips und Anhydrit sind nicht nur ein beliebter Baustoff, sondern auch Ausgangsgesteine zahlreicher Geotope, so das Fachkuratorium zur Auswahl des Gesteins des Jahres. Besonders hoben die Geowissenschaftler die Situation in der Gipskarstlandschaft Südharz hervor: „Magerrasen, Kalkbuchenwälder, Gipssteilhänge, Felsfluren, Quellsümpfe, wassergefüllte Erdfälle, Bachauenwälder, um nur einige zu nennen, bilden unterschiedlichste und artenreiche Lebensräume. In spektakulärer Weise hängen in der Barbarossahöhle am Kyffhäuser in Thüringen große Lappen von Anhydrit von Decken und Wänden“, heißt es in der Begründung. Das „Gestein des Jahres“ wird seit 2007 von einem Fachkuratorium unter Federführung des Berufsverbandes Deutscher Geowissenschaftler (BDG) ausgewählt.

Für das Umweltnetzwerk GRÜNE LIGA ist die Wahl ein „richtungsweisende Entscheidung in einem politischen Spannungsfeld“, sagt Dr. Josephine Sahner, Projektleiterin „Gipsabbau“, beim Bundesverband der GRÜNEN LIGA, denn: „Gips kommt in Deutschland viel seltener vor als Kalk und bildet im Südharz den weltweit einmaligen bewaldeten Gipskarst, einen Hotspot der Artenvielfalt“. Den durch die Rauchgasentschwefelung in Kohlekraftwerken im Überfluss entstehende REA-Gips habe die deutsche Industrie zu einer künstlichen Verdoppelung der Gipsbaustoffproduktion genutzt.

„Wenn die Menge an REA-Gips von ca. 5 Millionen Tonnen jährlich durch Abschalten der Kohlekraftwerke entfällt und alleine durch den Abbau von Naturgips gedeckt werden soll, werden der Südharz und übrige Abbaugebiete in Deutschland bald weitgehend aus Steinbrüchen bestehen“, mahnt Sahner. „Der industrielle Abbau sorgt für die Zerstörung von Natur und Landschaften auf Kosten nachfolgender Generationen“.

Das Problem beim Gipsabbau sei, dass nicht nur besonders schützenswerte Biotope, sondern ganze Hotspots der Artenvielfalt unwiederbringlich verloren gingen. Das Berg- und Immissionsschutzrecht sei so angelegt, dass der Naturschutz zwar beachtet werden müsse; im Rahmen von Vermeidungsmaßnahmen, Ausgleichsmaßnahme und Ausnahmeregelungen sei der Abbau aber auch in diesen besonders schützenswerten Biotopen möglich, erklärt Sahner.

Viel zu wenig wird aus Sicht des Umweltnetzwerkes auf alternative Rohstoffe und auf Recycling gesetzt. Aktuell landet ein der Großteil der hergestellten Gipsprodukte noch als Abfall auf Deponien, anstatt durch sortenreine Produktion und kontrollierten Rückbau der Wiederverwertung zugeführt zu werden. „Hier muss die Politik endlich Weichen für eine Bauwende stellen, die eine nachhaltige Rohstoffstrategie auch umsetzt“.

Ein Bündnis so genannter "zivilgesellschaftlicher Organisationen" forderte bereits im Herbst 2021 die neue Bundesregierung auf, bis 2045 aus dem Naturgipsabbau auszusteigen und ab sofort keine Genehmigungen mehr für neue Abbauflächen zu erteilen.

In einem gemeinsamen Positionspapier sprechen sich die Verbände GRÜNE LIGA, Naturschutzbund (NABU), der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Verband deutscher Karst- und Höhlenforscher (VdHK) und die Initiative Architects4Future (A4F) für den Erhalt seltener Naturlandschaften und ein grundsätzliches Umdenken im Baubereich aus.