Bewusst oder unbewusst:

Wurde hier was "geschönt"?

Mittwoch
29.12.2021, 16:00 Uhr
Autor
psg
veröffentlicht unter:
Immer noch sind die öffentlich-rechtlichen Medien - egal ob TV, Radio oder Online - eine der favorisierten Hauptnachrichtenquellen der Menschen in diesem Land. Sie stehen für auf Fakten basierte Informationen, die objektiv sind. Doch beim genaueren Hinsehen und Hinhören sieht man, dass es nicht immer so objektiv zu sein scheint...

Mit Faschisten gelaufen? (Foto: nnz) Mit Faschisten gelaufen? (Foto: nnz)
Es begann mit der morgendlichen Presseschau am gestrigen Dienstag. Auch in Nordhausen wurde am Abend zuvor spaziert - so wie in vielen anderen Städten und Orten unseres schönen Freistaates. Quantitativer Höhepunkt der abendlichen Ausflüge in Thüringen war Gera. Hier hatten sich rund 4.000 Menschen zum Spaziergang getroffen.

Die Polizei, in diesem Fall die Polizeidirektion Erfurt, die für ganz Thüringen zuständig ist, gab eine zusammenfassende Pressemitteilung heraus. Auf die bezog sich offenbar auch die Online-Redaktion des mdr und baute folgenden Satz in Ihren Artikel ein: "Nach Angaben der Polizei hatten sich rund 4.000 Menschen aus Gera und Umgebung auf den Weg zu einem sogenannten Corona-Spaziergang gemacht; darunter seien auch Mitglieder mehrerer faschistischer Vereinigungen sowie bekennende Reichsbürger gewesen."

Aha, die Polizei hatte also Angaben gemacht, denen zufolge es mehrere faschistischen Vereinigungen in Gera und Umgebung gebe müsse. Die Polizei und vermutlich auch andere Behörden müssen es ja wissen, dachte der vermutlich unbedarfte Leser und Konsument der doch immer verlässlichen Nachrichtenquelle des Heimatsenders mdr.

Wir als kleine nnz wurden aber misstrauisch und fragten bei der im mdr-Text benannten Quelle, der Polizei, an. Die Polizeidirektion teilte unserer Redaktion folgendes mit: "Eine zusammenfassende Medieninformation wurde über das online-Portal veröffentlicht, in welche die in Rede stehende Passage (zweiter Halbsatz des Zitats) nicht enthalten ist. Mit den uns zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten können wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigen, dass die in Rede stehende Passage aus einer polizeilich legitimierten Quelle stammt."

Das ist ja nun wirklich interessant. Woher stammt also die Information tatsächlich? Wir fragten beim mdr nach und erhielten auch aus Leipzig eine Antwort: "Nach Rücksprache mit der Redaktion kann ich Ihnen mitteilen, dass sich die betreffende Textpassage u.a. auf eigene Beobachtungen der Regionalreporterin des MDR Thüringen bezieht, die in Gera selbst vor Ort war", schrieb ein mdr-Sprecher in der Mail an die nnz.

Bleibt also eine gewisse Portion an Ungewissheit. Warum wurde die "Regionalreporterin" nicht als Quelle benannt? War sie zu subjektiv? Statt dessen wurde suggeriert, dass die Polizei die Aussage zu "mehreren faschistischen Vereinigungen" gemacht habe.

Ein Versehen oder schon Framing? Denn beim Framing, einem Rahmungseffekt, geht es darum, dass unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft – bei gleichem Inhalt – das Verhalten des Empfängers unterschiedlich beeinflussen.

Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Hier wird - versehentlich oder bewusst - die Polizei als Quelle einer Aussage genutzt. Die Behörde ist authentischer als der vermutlich subjektive Eindruck einer Reporterin. In einer Zeit aufgeheizter Debatten muss zum Schluss die Frage nach dem Warum mehr als erlaubt sein.
Peter-Stefan Greiner

Screenshot nnz-Anfrage an den mdr. (Foto: nnz) Screenshot nnz-Anfrage an den mdr. (Foto: nnz)
Update: Der Screenshot unserer Anfrage an den mdr.