Landrat Jendricke:

"Ich lasse mich nicht in rechte Ecke stellen!"

Sonntag
28.03.2021, 10:00 Uhr
Autor
psg
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Obwohl “Corona” seit mehr als einem Jahr nahezu alle Themen der Politik zu überlagern scheint, gibt es sie doch, die einstigen Aufreger. Sie dringen punktuell durch, werden aber umso heftiger diskutiert. Deshalb sind wir wieder der Asylpolitik und deren Auswirkungen auf den Landkreis Nordhausen gefolgt…


Es sind nicht mehr die Aufreger, die von den unterschiedlichen politischen Akteuren gesetzt werden. Aber sie sind da. Zum Beispiel der “Sichere Hafen”. Der sollte für Flüchtlinge, die bereits in ihrem ersten Heiland, der EU, angekommen sind, und die sich nun in Lagern auf griechischen Insel für die Weiterreise in das eigentliche Land ihre Träume und Wünsche, dem Land zwischen Sylt und Zugspitze, zwischen Rügen und Fichtelberg, vorbereiten.

Wenn das Warten etwas länger dauert und auch nicht allzu komfortabel ist, dann wird schon mal gezündelt und damit versucht, die Weiterreise zu erzwingen. Deutschland (Verzeihung, dass ich dieses Wort verwende) zeigt sich gönnerhaft, denn laut politischer Kreise haben wir genügend Platz, um zusätzliche Menschen aufzunehmen, zu versorgen und - ja natürlich - auch irgendwann und irgendwie zu integrieren. Zum Beispiel über vereinbarte Kontingente hinaus.

Auch der Landkreis Nordhausen sollte sich das Gütesiegel “Sicherer Hafen” verleihen. Das forderten natürlich die Linken im Kreistag und wurden mit ihrer in einen Antrag gegossenen Idee abgebügelt. Und als ob das nicht schon ein derbe Schlag ins solidarische Antlitz der Hafenbauer war, es kam damals im Dezember noch bitterer. Selbst der Landrat votierte gegen den Beschluss. Kein Wunder, dass die LINKE, allen voran der antifaschistische Sprecher der Kreistagsfraktion, Tim Rosenstock, den Landrat Matthias Jendricke an die Seite der AfD, mindestens aber in die rechte Ecke stellte.

Das nagt an Matthias Jendricke immer noch. Im Gespräch mit der nnz sagte Jendricke, dass er die von den Linken geäußerten Unterstellungen “unredlich und unanständg” auch heute noch empfinde. “Es kann doch nicht sein, dass wir in unserem Landkreis heftig mit der Fahne wedeln und damit Einladungen aussenden, dass möglichst viele Flüchtlinge hierher kommen”, ereifert sich Jendricke. “In erster und vorrangiger Linie müssen wir uns um die kümmern, die bereits hier sind und da weichen ich und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der zuständigen Ämter der Kreisverwaltung nicht von der selbst vorgegebenen Linie ab. Die Personen, die uns vom Land zugewiesen werden, werden zuerst in einer Gemeinschaftsunterkunft, vorzugsweise die in Sülzhayn untergebracht. Dort sollen sie uns, unser Land und unsere Regeln kennenlernen, oft auch mit Hilfe von Landsleuten, die hier schon länger betreut werden.”

93 Männer, Frauen und Kinder kamen im vergangenen Jahr neu in den Landkreis Nordhausen. Spätestens nach einem halben Jahr wird versucht, diese Personen dezentral, sprich in Wohnungen, unterzubringen. Wenn dieser Versuch der weiteren Integration aus dem Ruder läuft und die Probleme im Wohnumfeld sich häufen, im Behördendeutsch spricht man von Wohnuntauglichkeit, dann geht es zurück in die Gemeinschaftsunterkunft, diesmal in der Rathsfelder Straße.

Ende des vergangenen Jahres lebten im Landkreis Nordhausen 1.311 Personen mit “Fluchthintergrund”, davon waren 352 asylberechtigt, 273 männlich und 79 weiblich. Über Diverse oder andere Geschlechter ist nichts bekannt. Zu diesem Personenkreis gehören neben den anerkannten Flüchtlingen auch subsidiär Schutzberechtigte, mit Abschiebeverbote belegte Personen, Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber. Neun Personen kamen im Zusammenhang mit dem Familiennachzug nach Nordhausen. Von den 93 “Neuen” wurden bislang 17 Verfahren positiv und 13 Verfahren negativ beschieden. Der Rest befindet sich nach Auskunft des Landratsamtes noch im laufenden Asylverfahren. Die Hauptherkunftsländer sind nach wie vor Afghanistan, Irak, Iran, Syrien und Libyen.

Wer das Verfahren durchlaufen hat und dessen Antrag positiv beschieden wurde, der kann dann voll und ganz den sozialen Leistungen des deutschen Wohlfahrtsstaates vertrauen. Aktuell befinden sich laut Landratsamt 856 Personen in 287 Bedarfsgemeinschaften in der Obhut des Jobcenters. 226 Menschen mit Fluchthintergrund sind in Arbeitsagentur und Jobcenter als arbeitslos gemeldet, antwortet die Agentur auf eine nnz-Anfrage. Im vergangenen Jahr wurden 127 arbeitslose Flüchtlinge in den ersten Arbeitsmarkt integriert, zum größten Teil handelt es sich dabei um Männer. Darüber hinaus befanden sich im vergangenen Jahr 42 Flüchtlinge in einer Umschulungs- oder Weiterbildungsmaßnahme.

Wer sich - trotz aller Fürsorge und Hingabe unseres Gemeinwesens - nicht an die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens in Mitteleuropa gewöhnen kann und wer eigentlich überhaupt nicht hier sein dürfte, der muss letztendlich abgeschoben werden. Das ist - auch aufgrund ideologisch behafteter Störversuche aus dem linken, zivilgesellschaftlichen Lager - immer noch schwierig. Vor allem Corona machte den Behörden des Landkreises Nordhausen wiederholt einen dicken Strich durch ihre behördliche Rechnung. So sollten im zurückliegenden Jahr elf Personen abgeschoben werden, lediglich zwei konnten vollzogen werden. Es gab schlichtweg keine oder zu wenig Flüge.

Abschiebungen sind für Matthias Jendricke nicht das letzte Mittel, sondern schlicht und ergreifend das Durchsetzen von Rechtsstaatlichkeit. “Wenn wir nicht mehr in der Lage sind, diese Grundprinzipien des gemeinsamen Zusammenlebens in einer Gemeinschaft mit selbst gegebenen Grundsätzen auch konsequent durchzusetzen, dann geben wir den Rechtsstaat auf. In dieser Position sehe ich mich übrigens auch in völliger Übereinstimmung mit meinen Beigeordneten Hannelore Haase (Linke) und Stefan Nüßle (CDU). Dieses Handeln stellt mich nicht in irgendeine rechte Ecke, wie das Herr Rosenstock immer mal gerne von sich gibt”, sagt der Landrat.

In der vergangenen Woche hatte der Thüringer Innenminister, der auch für Kommunales zuständig ist, die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2020 freigegeben. Der zufolge war jeder Fünfte Tatverdächtige ein “Nichtdeutscher”. In absoluten Zahlen: Von rund 53.000 Tatverdächtigen, die 2020 im Rahmen einer Straftat ermittelt wurden, waren fast 10.200 nicht deutscher Herkunft. 1.600 von ihnen durften eigentlich nicht im Land sein, sie befinden sich “unerlaubt” in Deutschland.

Für den Landkreis Nordhausen werden die Zahlen der PKS in der kommenden Woche veröffentlicht. Im Jahr 2019 wurden 240 Tatverdächtige nichtdeutscher Herkunft ermittelt, das waren knapp 11 Prozent. Im Vergleich dazu, die Ausländerquote lag laut statistischem Landesamt im Jahr 2019 bei 4,6 Prozent.
Peter-Stefan Greiner