Alternativen zu Naturgips?

Die grüne Phosphat-Rolle rückwärts

Montag
29.03.2021, 07:00 Uhr
Autor
psg
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Die Kommunikation zwischen Politik und Volk läuft in den wenigsten Fälle in zwei Richtungen. Meist sagt Politik was Volk zu tun hat. Und meist ist das populär, wenn nicht sogar populistisch. Dazu ein aktuelles Beispiel einer Rolle rückwärts...

Hier sprach Ministerin Siegesmund noch optimistisch von Phosphorgips als Alternative. Zu Besuch bei Casea in Ellrich im Oktober 2020 (Foto: nnz) Hier sprach Ministerin Siegesmund noch optimistisch von Phosphorgips als Alternative. Zu Besuch bei Casea in Ellrich im Oktober 2020 (Foto: nnz)
Zum ersten Mal hörte ich von Phosphorgips im Herbst des vergangenen Jahres. Frau Ministerin Siegesmund war zu Gast bei der Firma Casea in Ellrich, dort, wo der Rohstein aus den Tagebauen zu diversen nachgefragten Produkten umgewandelt wird.

Zur Ausgangsbasis ganz einfach: In Deutschland werden jährlich zehn Millionen Tonnen Gips in Form diverser Produkte benötigt. Die eine Hälfte davon kommt aus der Natur, wird gefördert oder abgebaut. Sehr zum Verdruss von Teilen der Bevölkerung, wobei sich der überwiegende Teil der Menschen darum nicht schert. Er hat - auch ohne Corona - lapidarere Probleme zu lösen.

Die andere Hälfte des Gipses kommt aus den Rauchgasentschwefelungsanlagen (REA) der Kohlekraftwerke. Die Bundesregierung hat ja nun beschlossen, spätestens im Jahr 2038 auch die letzten Braunkohlekraftwerke abzuschalten. Damit ist der Fünf-Millionen-Tonnen-REA-Gips sozusagen Geschichte. Grüne wollen das viel früher. Das mit dem Abschalten

Zehn Millionen Tonnen Gips werden dann aber vermutlich immer noch benötigt, wenn wir nicht wie die Aktivisten in verschiedenen Forsten auf Bäumen leben wollen.

Die simple Antwort der Industrie wäre: die können aus Mutter Erde geholt werden. Genügend davon ist zum Beispiel im Südharz zu haben. Doch das ist nicht verabredet zwischen Politik, den Menschen im Südharz und der Industrie. Die Verabredung ist in Gesetze, Verordnungen oder Genehmigungen, mitunter auch in vereinbarte Kompromisse gegossen. Auf jeden Fall sollte sie verbindlich sein. Wenn schon Politik nichts von Plänen hält, die Wirtschaft braucht sie, selbst in der Marktwirtschaft, der sozialen.

Und nun stehen die Umweltschützer, die Grünen, ihre ungezählten Vereine, Verbände und Anhänger vor einem Dilemma. Ich kann mich noch gut daran erinnern, als Anfang der 2000er Jahre von der Wirtschaft gefordert wurde, mehr auf REA-Gips zu setzen, selbst im Jahr 2013 war das so, also bereits mitten in der verkündeten Energiewende und dem Abschalten von Kraftwerken.

Das damit auch der REA-Gips abgeschaltet wird, das fand im kurzfristigen Denken der grünen Strategen keine Beachtung, erst in den zurückliegenden zwei Jahren, als das Abschalten der Kohlekraftwerke in Gesetzesentwürfe gegossen wurde, fiel es vermutlich auch dem Umfeld von Frau Siegesmund auf, dass es eine Lücke gebe. Von eben fünf Millionen Tonnen jährlich.

Alte Gipsprodukte recyceln? Ja, das geht, wird zum Beispiel auch in Rottleberode bei Knauf gemacht. Doch bei einem Bedarf von fünf Millionen Tonnen, müssten einige Neubauten und sanierte Wohnbauten schlicht mal abgerissen werden, um an die Millionen verbauten Gipskartonplatten zu gelangen.

Also wurde nach Alternativen gesucht. Gesucht hatten vermutlich die Falschen wie der BUND oder die Grüne Liga. Die hatten im vergangenen Jahr ein Unternehmen mit einem Gutachten beauftragt. Das wiederum auftragsgemäße Ergebnisse geliefert hatte. In der damaligen Pressemitteilung hieß es: "Eine Alternative zum Naturgips könne der sogenannte Phosphorgips sein. Als ein Nebenprodukt der Düngemittelindustrie fällt Gips weltweit in großen Mengen an, die auf Halden gelagert sind. Dr. Jörg Feinhals, Leiter der Projektgruppe Strahlenschutz und Entsorgung bei der DMT GmbH bestätigte auf der Tagung, dass die alleine Produktion von Phosphatgips den Wegfall des REA-Gipses ersetzen könne. Auf Grund von Verunreinigungen in den Ausgangsprodukten müsse dieser Gips jedoch gereinigt werden."

Geht man der Produktion von Phosphatgips etwas genauer nach, dann erscheint das "Reinigen" nicht so einfach, denn: "Auf Grund von Verunreinigungen in den Ausgangsprodukten enthält dieser Gips radioaktive und giftige Bestandteile, wie Spuren von Uran oder Radium. Nur etwa 2 % des Phosphorgipses können weiterverwendet werden."

Nicht nur das Reinigen verursacht hohe Kosten, auch die Transportkosten (Phosphorgips gibt's nicht in Deutschland) würden sich auf die Preise durchschlagen, wie dann wirtschaftlich kaum darstellbar wären. Wäre im grünen Kosmos auch nicht weiter schlimm, denn Einfamilienhäuser soll es nur mit Ausnahmegenehmigungen geben.

Zurück zu unserem Kosmos: Wer wissen will, unter welchen Um- und Zuständen Phosphorerz abgebaut und verarbeitet wird, der ist hier gut aufgeboben.

Also kein Phosphorgips. Und so fehlen immer noch fünf Millionen Tonnen REA-Gips und die Grünen-Suche nach Alternativen geht weiter. Vor einigen Tagen war zu lesen, dass es auch in Thüringen potenzielle Ausgangsstoffe zur Gipsgewinnung gebe, zum Beispiel Vorkommen von Polyhalit, ein "eher selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der Sulfate". Gefunden wurde es zum Beispiel bei Bad Salzungen. Aber sind das auch die benötigten Tonnen? Und wie das "Zeug" aus der Erde holen?

Für den Nordthüringer Unternehmerverband steht fest, dass der Rohstoff Gips noch für lange Zeit zu den wichtigsten Baustoffen gehören wird. "Natürlich sollen die natürlichen Vorkommen so weit wie möglich geschont werden, doch um einen weiteren, umweltverträglichen Abbau werden wir nicht herumkommen. Den Baustoff Gips in absehbarer Zeit komplett durch Alternativen zu ersetzen, erscheint mir nicht möglich", sagt NUV-Chef Niels Neu, der vor allem politische Vorgaben, wie Menschen künftig zu wohnen haben, nicht für förderlich hält.

Nicht verschwiegen werden sollen die Forschungen an der Hochschule Nordhausen zum Recycling im Rahmen des "WIR"-Projektes. Doch in der jüngsten Mitteilung der Forscher ist keine einzige konkrete Zahl zu finden, die auch nur annähernd dazu dienen könnte zu erfahren, wie die Lücke zwischen Naturgips und benötigtem Gips allein in Deutschland zu schließen wäre. Aber immerhin gibt es an der Hochschule einen Beirat, der sich regelmäßig trifft. Das ist doch schon mal was und lässt die grüne Rückwärtsrolle beim Phosphorgibt vergessen machen.
Peter-Stefan Greiner