Niedersachswerfen und der Herkules-Streit

Nicht nachvollziehbar

Mittwoch
24.03.2021, 12:30 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Die Posse um die Sanierung des Herkules-Marktes in Niedersachswerfen geht heute in die nächste Runde: das Rathaus hat einen Sonderstadtrat anberaumt, damit der Oberbürgermeister die jüngste Entscheidung des Rates offiziell beanstanden kann. Mit einem gewissen Unverständnis blickt man derweil aus Niedersachswerfen auf das Geschehen in der Kreisstadt…

Nach 25 Jahren saniert: der Herkules Markt in Niedersachswerfen (Foto: agl) Nach 25 Jahren saniert: der Herkules Markt in Niedersachswerfen (Foto: agl)


Über 26 Jahre ist es inzwischen her, dass der Herkules-Markt in Niedersachswerfen seine Pforten zum ersten Mal geöffnet hat. Nach einem Vierteljahrhundert machte man sich im letzten Jahr daran, den Markt ein wenig auf Vordermann zu bringen. Die Elektroabteilung sollte entfallen, die Regale flacher, der Verkaufsraum übersichtlicher gestaltet werden. Der Markt solle nicht größer, lediglich anders organisiert werden, hieß es damals.

Die Umbauarbeiten sind inzwischen abgeschlossen, dennoch beschäftigt das Thema weiter die regionale Politik. Denn der Stadt Nordhausen, oder zumindest dem Rathaus, ist die Renovierung ein Dorn im Auge. Der erteilten Baugenehmigung mangele es an einer rechtlichen Grundlage, stellt die Verwaltungsspitze in einer ausführlichen Rechtfertigung fest. Die Verkaufsfläche im Markt sei nicht, wie „suggeriert“, um 385 Quadratmeter sondern um stolze 2.546 Quadratmeter gestiegen, was eine „relevante Erweiterung“ der Verkaufsfläche darstelle und damit „durchaus geeignet, Auswirkungen auf den Einzelhandel in Nordhausen zu verursachen“.

Auf derlei Äußerungen blickt man in der Gemeinde Harztor mit „ein bisschen Unverständnis“, meint Bürgermeister Stephan Klante. Eigentlich, so dachte man, liege man mit der Stadt auf einer Wellenlänge. Ursprünglich hatte sich der Herkules mit einem Getränkemarkt baulich auf dem sogenannten „BHG-Gelände“ erweitern wollen, was die Gemeinde nach Gesprächen mit der Kreisstadt aber abgelehnt habe. Stattdessen sollte ein Umbau auf die baulich bereits vorhandenen Strukturen begrenzt bleiben, dass sei Konsens mit der Stadt Nordhausen gewesen, sagt Klante gegenüber der nnz.

Seitdem habe man mit ihm nicht noch einmal das Gespräch gesucht, die Rangelei um die Markterweiterung, die Stadrat und Rathaus miteinander führen, kenne er auch nur aus der Presse. „Der Markt steht seit über 20 Jahren hier und hat sich etabliert. Baulich hat es keine Veränderungen gegeben, da ist nichts neues entstanden“, sagt Harztors Bürgermeister.

In der Erklärung des Rathauses heißt es, es gehe bei dem Widerspruch nicht darum: der Nachbargemeinde Harztor diesen großflächigen Einzelhandel zu neiden oder Arbeitsplätze zu gefährden, sondern eine Verödung der Innenstadt zu vermeiden. Man setze lediglich die vom Stadtrat beschlossene Fortschreibung des Einzelhandelskonzeptes um.

Allein auch dieses Argument will bei den Nachbarn nicht so recht fruchten. Weit ab von den gut 2.500 Quadratmetern Zugewinn, den man im Nordhäuser Rathaus sieht, schätzt man in Harztor den tatsächlichen Zuwachs an reiner Verkaufsfläche eher auf knappe 40 Quadratmeter. „Dabei muss man bedenken, dass sich die Gesetze in den letzten 20 Jahren geändert haben. Kassenbereich und Bäckerei wurden damals noch nicht zum Verkaufsbereich hinzugerechnet, heute schon. Damit ändert sich die Quadratmeterzahl rechnerisch, aber baulich hat sich nichts getan. An einer anderen Ortsgrenze, bei Werther, wird ein Autohof samt Einkaufsmarkt geplant, aber da hat Nordhausen kein Problem. Hier gefährden 40 Quadratmeter den Bestand. Das ist für uns und die Menschen vor Ort schlicht nicht nachzuvollziehen.“

Tatsächlich hat es zu den Werther'schen Plänen eine Stellungnahme der Kreisstadt gegeben, wie Werthers Bürgermeister, Hans-Jürgen Weidt, bestätigt. Die Stadt Nordhausen begrüße grundsätzlich die Planungen für einen Autohof in der Gemeinde einschließlich der dort geplanten Nutzungen. In Sachen Einzelhandel wurde man allerdings vom Landesverwaltungsamt dazu aufgefordert, etwas tiefer als geplant zu stapeln.

"Das bedeutet das der geplante Markt mit einer Verkaufsfläche von 1200 auf 800 Quadratmeter reduziert werden muss. Die Stadt Nordhausen hat uns in Ihrer Stellungnahme darauf hingewiesen den Vorgaben des Landesverwaltungsamtes zu folgen." schreibt Weidt. Deshalb werde der Entwurf des B- Plans entsprechend geändert und nochmals öffentlich ausgelegt.

Nicht nachzuvollziehen war die Argumentation mit Blick auf den Markt in Niedersachswerfen für den Nordhäuser Stadtrat, der sich zudem vom Oberbürgermeister in Sachen Herkules-Markt hintergangen fühlt. Nach Kritik am Widerspruch der Stadt aus Politik und Wirtschaft wurde die Sache im vergangenen Sommer von der Tagesordnung genommen. Für die Fraktionen war die Sache damit vom Tisch. Bis zum November, als man der Tatsache gewahr wurde, dass der Widerspruch sehr wohl erfolgt war und nun von „bewusster Täuschung“ durch den OB sprach.

Zeitsprung in den März diesen Jahres, neue Stadtratssitzung, neue Diskussionen, viel Unmut und Ärger. Das Rathaus verteidigt seine Position, bestellt einen Gutachter ein der den Räten die Sinnhaftigkeit der Blockade darlegen soll. Allein, der Stadtrat mag nicht folgen, der Widerspruch wird bei nur einer Ja-Stimme, (die des OB) abgelehnt.

Damit hätte die ganze traurige Provinzposse um einen 25 Jahre alten Supermarkt ein Ende haben können, aber nein - heute geht es weiter, mit einem Sonderstadtrat. Herr Buchmann ruft die Damen und Herren Stadträte zusammen, um den Rückzug des Widerspruchs zur Genehmigung formell zu beanstanden.

Heißt konkret: Hält der Bürgermeister eine Entscheidung des Gemeinderats oder eines Ausschusses für rechtswidrig, so hat er ihren Vollzug auszusetzen und sie in der nächsten Sitzung gegenüber dem Gemeinderat oder dem Ausschuss zu beanstanden. Verbleibt der Gemeinderat oder der Ausschuss bei seiner Entscheidung, so hat der Bürgermeister unverzüglich die Rechtsaufsichtsbehörde zu unterrichten. Gegen deren Einschätzung widerum könnte die Gemeinde Klage erheben und dann ginge das Prozedere vor das Verwaltungsgericht.

Warum aber wird derart viel Energie auf eine Sache verwendet, die mit gesundem Menschenverstand nicht fassbar zu sein scheint? Der Oberbürgermeister verweist auf seinen Amtseid: Seien Sie also versichert, dass ich meinem geleisteten Amtseid nachkomme und die Pflicht, die Interessen der Bürgerinnen und Bürger, insbesondere auch der Gewerbetreibenden, die gleichzeitig Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sowie Steuerzahlende unserer Stadt sind, nach innen wie nach außen wahren werde“,. So steht es geschrieben. Das Stadtoberhaupt, wirft sich heroisch in die Bresche, um die Händler seiner Innenstadt vor den Krakenarmen des Sachswerfener Einzelhandelsriesen zu schützen, während der Stadtrat dem Sirenengesang des Großhandels (oder der Macht der Gewohnheit) erlegen ist.

Unter vorgehaltener Hand freilich sind aus dem Umfeld von Stadtrat und Rathaus noch andere, weniger poetische Stimmen zu vernehmen, die behaupten es gehe der Verwaltungsspitze weder um den Markt, noch um Niedersachswerfen oder die Innenstadt und ihre Händler, sondern vielmehr darum, dem Landratsamt eins auszuwischen. Denn das war ja schließlich und letztendlich für die Genehmigung zum Umbau zuständig.
Angelo Glashagel