GEFAHR MIT DEM ROLLSTUHL?

In Sorge um die Schwiegermutter

Freitag
19.03.2021, 10:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Der Verlust der Gesundheit kam schleichend: Bandscheibenvorfall, Rückenschmerzen. Letztlich wollten auch die Beine nicht mehr. Für die heute 83-Jährige blieb am Ende der Umzug in den altersgerechten großen Plattenbau Am Zuckerweg. Gut aufgehoben sei sie dort. Über Betreuung und Verpflegung könne sie nicht klagen...

Auch Frank Tabatt macht sich Sorgen um seine Rollstuhl fahrende Schwiegermutter. Auf dem  Fußweg zwischen Weinert –und Ricarda-Huch-Straße stehen Lichtmasten. Die Durchfahrt erfordere Geschicklichkeit, wolle man nicht auf dem Grünstreifen oder der Straße landen. (Foto: Kurt Frank) Auch Frank Tabatt macht sich Sorgen um seine Rollstuhl fahrende Schwiegermutter. Auf dem Fußweg zwischen Weinert –und Ricarda-Huch-Straße stehen Lichtmasten. Die Durchfahrt erfordere Geschicklichkeit, wolle man nicht auf dem Grünstreifen oder der Straße landen. (Foto: Kurt Frank)
Nordhausen-Salza. Inge Wedler wohnte ein Leben lang in Salza. Jeder Weg und Steg ist ihr von Kindesbeinen an vertraut. Liebend gern würde sie durch das ihr so vertraute Umfeld spazieren. Die Beine aber tragen sie heute nicht mehr. Die Seniorin ist auf den Rollstuhl angewiesen. Jetzt steuert sie einen modernen elektrischen, der körperlichen Einsatz erspart. Gern kehrte sie mit ihrem fahrbaren Untersatz in das „Cafe mittendrin“ nebenan ein. Schon der Unterhaltung mit anderen älteren Menschen wegen.

Liebend gern würde Inge Wedler auch mal durch ihr liebes Salza, wie sie es nennt, kurven. Der Gedanke daran aber treibt Tochter Rita und Schwiegersohn Frank Tabatt den Angstschweiß auf die Stirn. „Bevor wir sie mit dem Gefährt überhaupt losließen, übten meine Frau und ich mit ihr die Bedienung des Rollstuhls“, klärt Tabatt auf. Ein kleiner weißer ballähnlicher Knubbel sei das Lenkrad. Die kleinste Berührung setze das Ding schon in Bewegung.

Mit der Zeit und geduldiger Übung hatte die Schwiegermutter den Dreh weg. Sie konnte kleine Streckenabschnitte angehen. Da offenbarte sich, leider, ein weiteres Problem. Frank Tabatt schildert es nach einer Frühlingsausfahrt so: „Wir wollten, um ihr ein größeres Sicherheitsgefühl mit dem E-Rollstuhl zu geben, einige Straßen ihres geliebten Salza testen. Die Kant -und Fichtestraße sind für solche Ausflüge nicht zu empfehlen. Die Fußwege sind sehr schmal und alle paar Meter engen sie Schaltschränke (siehe Bild) zusätzlich ein“.

Auch hier wird es eng (Foto: Kurt Frank) Auch hier wird es eng (Foto: Kurt Frank)
Der Hammer sei aber der Zuckerweg zwischen Einfahrt Erich-Weinert-Straße und Ricarda-Huch-Straße, schreibt Tabatt. Hier helfe kaum noch ein sauberer Slalom, um unbeschadet die mitten im Fußweg stehenden Lichtmasten zu umfahren. Bei einer Fußwegbreite von 1,50 Meter bliebe im günstigsten Fall 80 cm für die Durchfahrt. Wer da als Rollstuhlfahrer nicht so geschickt sei, lande entweder auf der Straße oder im abfallenden Grünstreifen. Was tat die Stadt bisher für Rollstuhlfahrer und was gedenke sie noch zu tun?, möchte Frank Tabatt wissen.

Wäre der Rollstuhl etwas breiter, bliebe die Seniorin zwischen Zaun und Masten eingeklemmt. (Foto: Kurt Frank) Wäre der Rollstuhl etwas breiter, bliebe die Seniorin zwischen Zaun und Masten eingeklemmt. (Foto: Kurt Frank)
Etliches, ist der Antwort von Lutz Fischer von der Pressestelle des Rathauses zu entnehmen ist. Er schreibt: Die Geh- und Radwege, Straßen, Brücken etc. befinden sich in der Stadt Nordhausen in einem verkehrssicheren Zustand. Gehwege, die seinerzeit nicht barrierefrei ausgebaut wurden, werden kontinuierlich im Zuge der Um-, Ausbau- und Instandsetzungsarbeiten barrierefrei gestaltet, wo das baulich möglich ist. Hierzu werde auch der Behindertenbeauftragte der Stadt zu Rate gezogen. Als aktuelle Beispiele können folgende umgesetzte Maßnahmen unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit genannt werden:
  • Im Rahmen des Neubaus des Radweges Nordhausen/Salza nach Herreden wurden die Anschlussstellen in den Ortslagen barrierefrei ausgebaut, das Blindenleitsystem auf dem Bahnhofplatz erneuert, Bushaltesstellen, wie derzeit in der Hohensteiner-, Clara-Zetkin- und Sangerhäuser Straße, barrierefrei umgebaut, einschließlich Sportanlagen (Sportplätze, Sanitäranlagen, Sporthallen.
  • Innerhalb der Sanierung der Kita Brummkreisel erfolgte auch die des Gehweges inklusive der Straßenentwässerung in der Schumannstraße, Ecke Zuckerweg. Daneben sorge die Einrichtung einer Tempo-30-Zone im Bereich des „Brummkreisels“ insgesamt für mehr Sicherheit.
  • Die Querungen im Ammerberg, zwischen Kleiststraße und Weinberg würden innerhalb der aktuellen Baumaßnahme barrierefrei umgebaut. Weitere Verbesserungen hin zu mehr Barrierefreiheit erfolgten eingedenk der Baumaßnahme Grimmelallee.
Lutz Fischer holte außerdem noch Informationen von Verkehrsbehörde und Polizei ein und hat erfahren, dass elektrische Krankenfahrstühle nicht zwingend auf dem Gehweg zu bewegen sind, sondern auch die Fahrbahn benutzen dürfen. Die Antwort enthielt folgenden Hinweis: „Krankenfahrstühle jeder Breite, Fahrgeschwindigkeit und Betriebsart und nicht in Abs.1 genannte Rollstühle sind Fahrzeuge und dürfen daher die Fahrbahn benutzen. Abweichend von § 2/I StVO dürfen sie jedoch nach § 24/II StVO auch überall dort gefahren werden, wo Fußgängerverkehr zulässig ist, also auf Gehwegen, in Fußgängerbereichen oder auf Seitenstreifen. Sie müssen dann jedoch Schrittgeschwindigkeit fahren“.
Kurt Frank