Nordthüringer Unternehmerverband:

"IHK erhöht Beiträge zur Unzeit!"

Donnerstag
18.03.2021, 18:00 Uhr
Autor:
psg
veröffentlicht unter:
Da kommt die Hauptgeschäftsführerin der Erfurter Industrie- und Handelskammer aus der Landeshauptstadt in die Provinz. Nach Nordhausen, um der geneigten Öffentlichkeit die geplante und mittlerweile beschlossene Beitragserhöhung innerhalb Zwangsmitgliedschaft der Unternehmen schmackhaft zu machen. Das weckt Interesse…

Dr. Cornelia Haase-Lerch, Ulrich Schlegel (Foto: nnz) Dr. Cornelia Haase-Lerch, Ulrich Schlegel (Foto: nnz)
Die nicht so guten Nachrichten, vor allem aber deren Begründung musste der Vizepräsident der IHK Erfurt, der Nordhäuser Unternehmer Ulrich Schlegel, übernehmen, er selbst sprach davon, dass er sich “in die Schusslinie” stellen werde. Und Schlegel fing beim “Eingemachten” an, zum Beispiel bei der Finanzierung der Kammer.

So sind in der Erfurter IHK 54.500 Mitglieder zum Zahlen verpflichtet, sie sind veranlagt. der Grundbeitrag liegt bei jährlich 180 Euro, hinzu kommt für rund 14.000 Unternehmen noch eine Umlage. Der Durchschnittsbeitrag lag bis Ende vorigen Jahres bei 329 Euro und steigt nun auf 367 Euro, im Kammerbezirk Suhl müssen 558 Euro bezahlt werden. Bundesspitze ist die IHK Siegen mit 709 Euro. Ein weiteres Beispiel: Bei einem Gewerbeertrag von 150.000 Euro werden statt 450 nun 638 Euro fällig. Pro Jahr. Selbst in Nordthüringen gibt es (Gott sein Dank) Unternehmen, die einen fünfstelligen Betrag überweisen müssen. Tragisch: der Veranlagungszeitraum für die jetzt erhöhten Beiträge bezieht sich auf die Unternehmenszahlen des Jahres 2019 und die waren bei den meisten Mitgliedern der Kammer nicht schlecht, um es vorsichtig auszudrücken.

Die Modalitäten der Zahlungen sind eher komplex als allgemeinverständlich, auch bewirkt durch einen Umlagehebesatz. Unterm Strich jedoch konnte die IHK im vergangenen Jahr fast 15 Millionen Euro “einnehmen” und gab 16,6 Millionen Euro aus. Das allerdings sind Planzahlen für das Jahr 2020, da es laut der Hauptgeschäftsführerin noch keinen Abschluss für das abgelaufene Jahr gibt. Für dieses Jahr seien 15,8 Millionen Euro an Einnahmen geplant, denen könnten Ausgaben von 15 Millionen Euro gegenüberstehen. 1,8 Millionen Euro befinden sich noch in einer Ausgleichsrücklage.

Dr. Cornelia Hasse-Lerch verteidigte die Notwendigkeit der Erhöhung, die bereits Ende 2019 angekündigt worden sei und die auch transparent den Unternehmen vorab mitgeteilt wurde. Und ein zweites Jahr mit einem negativen Ergebnis abschließen - auch das sollte vermieden werden. Dass die Erhöhung aus Sicht der Kammer nun auch noch mit der Corona-Krise zusammenfiel, das sei einfach “Pech” gewesen. De facto sei es ja die Politik gewesen, die der Kammer aufgetragen habe, ihre Liquiditätsrücklage abzubauen, sieben Jahre lang je eine Million Euro pro anno.

Der Nordthüringer Unternehmerverband mit seinen rund 200 Mitgliedern sieht die Argumentation ein wenig anders. “Das ist überhaupt nicht zu vermitteln”, kritisiert der Vorstandsvorsitzende des NUV, Niels Neu. “Für viele unserer Mitglieder hat sich der Grundbeitrag für die Zwangsmitgliedschaft von 120 auf 180 Euro im Jahr erhöht“, ergänzt Christian Hotze, Vorsitzender des benachbarten Wirtschaftsverbandes Wirtschaftsforum Eichsfeld. „Durch die gleichzeitige Erhöhung der Umlage fallen bei einzelnen Unternehmen Beitragserhöhungen von mehreren Tausend Euro an. Und das in Corona-Zeiten, in denen es kleinen und mittelständischen Firmen wirtschaftlich nicht unbedingt bestens geht und viele um ihre Existenz bangen. Das ist ein Schlag ins Gesicht der Unternehmer, die der Zwangsmitgliedschaft in der IHK unterworfen sind”, so Neu weiter.

Kritik gibt es seitens des NUV-Vorstandes am Zeitpunkt der Vollversammlung als Präsenzveranstaltung. An der nahmen Corona bedingt verständlicherweise lediglich 35 Mitglieder teil, dadurch war sie eigentlich nicht beschlussfähig. Allerdings lässt die Satzung der Kammer zu, unmittelbar eine zweite Versammlung einzuberufen, die dann ohne Rücksicht auf die Zahl der anwesenden Teilnehmer beschlussfähig ist. Eine solch weitreichende Entscheidung zu Lasten der Mitglieder hätte aus Sicht des NUV-Vorstandes auf die Tagesordnung der neuen Vollversammlung gehört.

Die Erhöhung der Beiträge lasse aus Sicht der Verbände jegliches Fingerspitzengefühl seitens der Verwaltung und des Präsidiums vermissen. Und es geht auch anders: “Im NUV, dem mitgliederstärksten Wirtschaftsverband in Thüringen, werden wir die Jahresbeiträge erst dann einziehen, wenn sich die gesamte Corona-Situation deutlich für unsere Mitglieder entspannt hat”, so der NUV-Vorstand. Wer sich als Vertreter der Wirtschaft bezeichnet, sollte auch sein Handeln danach ausrichten.

Ebenfalls mehrfach hatte sich der Nordthüringer Unternehmerverband für die Fusion der drei Thüringern IHKn ausgesprochen. “Mittlerweile ist es kaum jemanden zu vermitteln, dass in solch einem kleinen Bundesland wie Thüringen drei IHKn mit jeweils eigener Verwaltung, den dazugehörigen Gebäuden, einer eigenen Vollversammlung und eigenen Präsidien existieren. Eine Fusion der drei Kammern würde sicherlich auch Einsparpotential generieren”, ist sich Niels Neu sicher. Beide Vorstände sind überzeugt, dass das Anschieben einer Fusion sicherlich nicht aus den Verwaltungen oder Präsidien heraus erfolgen wird, sondern von außerhalb. Zumal als eine einzige starke Thüringer Kammer würde diese IHK ihre Aufgaben in den Regionen als Ansprechpartner, Koordinator und Organisator für die Thüringer Wirtschaft nachkommen können.
Sowohl Niels Neu als auch Christian Hotze weisen auf die gute Zusammenarbeit mit der IHK insbesondere bei ihren hoheitlichen Aufgaben, bspw. der Berufsausbildung oder Weiterqualifizierung in den zurückliegenden Jahren hin, hierfür benötige man aber keine Zwangsmitgliedschaft.

Beide appellieren daher gemeinsam an die neue Vollversammlung und die Wirtschaftsbeiräte der IHK, gerade im Hinblick auf die aktuelle Corona Situation, die Beitragserhöhung erneut auf die Tagesordnung zu holen. Das könne gern so sein, sagte die Hauptgeschäftsführerin, auch könnten Mitgliedsunternehmen eine Stundung der jetzt zugegangenen Beiträge beantragen, wenn sie sich aktuell in einer wirtschaftlich schwierigen Lage befinden.
Peter-Stefan Greiner