Freie Wähler vor Gericht

Kreisvorsitzende der Freien Wähler fordern neuen Listenparteitag

Mittwoch
17.03.2021, 19:17 Uhr
Autor:
nis
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Die Freien Wähler in Sachsen-Anhalt gehen vor Gericht. Dazu haben sich mehrere Kreisvorsitzende der Partei entschieden.
Damit erreicht das Ringen zahlreicher Mitglieder der Partei mit ihrem Landesvorstand um einen fairen Umgang miteinander eine neue Stufe...

Die Zerwürfnisse reichen bis weit in das Jahr 2020 zurück. So hat sich im April 2020 der Landesvorstand von der Volksinitiative „Faire Straße“ distanziert. Als diese Initiative jedoch ein Erfolg wurde, schwenkte der Vorstand um und versuchte sich den Erfolg auf die eigenen Fahnen zu schreiben.

Reichlich Unmut gab es in den Reihen der Basis, als die Landesführung der Freien Wähler im Juli kurzerhand den ihm unliebsamen Wittenberger Kreisvorstand ab- und durch einen kommissarischen Vorstand ersetzte, den vor Ort jedoch niemand kannte.

Wunden hat auch die Ablehnung des Landesvorstandes hinterlassen, den mitten im Lockdown geplanten Listenparteitag von Januar auf Februar oder März zu verschieben. Unbeeindruckt von den Ängsten vieler besonders älterer Mitglieder, wurde der Listenparteitag durchgezogen; wie nebenbei kaperte daraufhin der teilweise aus Ex-CDU-Mitgliedern bestehende Landesvorstand die Landesliste, indem er allein die ersten sechs Listenplätze mit vier ehemaligen CDU-Mitgliedern besetzte.

Empört zeigen sich viele Mitglieder immer wieder über den rüden Ton, mit dem die Landesvorsitzende Andrea Menke und ihr Ehemann Johannes Menke kritische Mitglieder maßregeln. Geradezu verhöhnt fühlen sich viele von den aktuellen Ereignissen. So forderten jüngst mehr als zehn Prozent aller Mitglieder satzungsgemäß einen neuen Listenparteitag. Daraufhin teilte der Landesvorstand mit, zur Prüfung der Sach- und Rechtslage dieser Forderung nach einem Listenparteitag „eine externe Rechtsanwaltskanzlei hinzugezogen“ zu haben. Diese hat das Anliegen ganz im Sinne der Landesvorsitzenden Andrea Menke abgeschmettert. Interessant, welche „externe“ Kanzlei den Brief an Frau Menke geschrieben hat: die Kanzlei von Johannes Menke, ihrem Ehemann, der ihn auch selbst unterschrieben hat. Mit ihm haben nicht nur viele Freie Wähler ein Problem. Er gehört zu jenen Menschen, die sich im Schlepp des halleschen Oberbürgermeisters Wiegand im Januar vorzeitig gegen Corona haben impfen lassen, während noch tausende aus Gruppe 1 (über 80-Jährige, Menschen in Pflegeheimen, Personal in Intensivstationen, Notaufnahmen und Rettungsdiensten) im Land auf ihre erste Impfung warteten und mancher in den Folgewochen an Corona schwer erkrankte. Menke hatte übrigens mit einer Einstweiligen Anordnung dafür gesorgt, dass eine Sondersitzung des Stadtrates Halle zur Impfaffäre vom Verwaltungsgericht Halle gestoppt worden war. Nun soll das Thema erst im April auf die Tagesordnung kommen; eine rasche Aufklärung der Affäre wurde damit von einem Freien Wähler erfolgreich torpediert.

Es sind diese und ungezählte weitere Ungereimtheiten, die zu einem Zerwürfnis zwischen einem Großteil der Parteibasis und dem in den Landtag strebenden Landesvorstand geführt haben. Die Vorsitzenden der Kreisvereinigungen Saalekreis, Dessau-Roßlau, Mansfeld-Südharz, Burgenlandkreis, Magdeburg und Harz sowie Vertreter aus Wittenberg und ein Großteil ihrer Mitglieder sehen schon längst den Bogen überspannt. Deshalb forderten sie bereits im Januar den Rücktritt des Landesvorstandes und einen fairen neuen Listenparteitag. Da sie beim Landesvorstand ihrer Partei kein Gehör finden, bereiten sie nun eine Einstweilige Verfügung beim Gericht vor, der den Landesvorstand, dem sie längst das Vertrauen entzogen haben, verpflichten soll, den neuen Listenparteitag sofort einzuberufen.
Jochen Miche