Agentur und Arbeitgeber suchen neue Wege

Ausbildung in Corona-Zeiten

Montag
15.03.2021, 15:36 Uhr
Autor:
red
veröffentlicht unter:
Nachwuchsprobleme hatte vor Ort so mancher Betrieb schon vor Corona. Ohne den direkten Kontakt in Schulen, auf Messen und Ausbildungsbörsen ist die Suche nach willigen Auszubildenden im letzten Jahr noch schwieriger geworden. Sowohl die Agentur für Arbeit wie auch Arbeitgeber müssen andere Wege gehen…

Azubi Tim Borchardt bei der Arbeit: zumindest beim praktischen Lernen müssen in der Werkstatt keine Abstriche gemacht werden (Foto: agl) Azubi Tim Borchardt bei der Arbeit: zumindest beim praktischen Lernen müssen in der Werkstatt keine Abstriche gemacht werden (Foto: agl)


Für den Pressetermin heute im Autohaus Albertsmeyer hat man die Messewand als passenden Hintergrund aus der Mottenkiste geholt und abgestaubt. Seit einem guten Jahr kam das Werbematerial schon nicht mehr zum Einsatz, erzählt Personalchefin Juliane Bley. Wo man sonst bei jeder Gelegenheit über das persönliche Gespräch, mit Prospekten und kleinen „Give-Aways“ die Chance hatte im Gedächtnis potentieller Bewerber zu bleiben, muss man jetzt auf weniger direktem Wegen versuchen an die jungen Leute heranzukommen.

Das Problem Ausbildung treibt auch die Agentur für Arbeit um und das nicht erst seit Corona. Ein gutes Viertel der Beschäftigten in Nordthüringen ist über 55 Jahre alt und geht in den nächsten zehn Jahren in den wohlverdienten Ruhestand. Der Ersatz in Form junger Berufsanfänger wird zunehmend knapper. Im Jahr 2011 kamen auf 100 Ausbildungsstellen in Nordthüringen noch 133 Bewerber, zehn Jahre später sind es nur 85, erklärte heute der Leiter der Agentur für Arbeit in Nordhausen, Karsten Froböse. „Es war kein einfaches Jahr auf dem Ausbildungsmarkt und die Lage war sicherlich schwieriger, als noch vor zwei Jahren aber im Vergleich deutlich einfacher als etwa vor 12 Jahren.“ Ausbildung, das ist Zukunft, sagt Froböse, nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Betriebe. Die Pandemie habe einmal mehr gezeigt, dass man gerade in schwierigen Zeiten auf die bestmögliche Qualifikation bauen kann. Und Froböse hat Zahlen, um seine Thesen zu stützen: von 29.400 Beschäftigten im Landkreis Nordhausen haben lediglich 2.278 oder 7,7 Prozent keinen Berufsabschluss. Unter den rund 3.500 Arbeitslosen liegt die Quote mit 1.350 Personen ohne Abschluss deutlich höher bei 38,6 Prozent.

Kein leichtes Jahr für die Nachwuchssuche: Pressetermin im Autohaus Albertsmeyer in Nordhausen (Foto: agl) Kein leichtes Jahr für die Nachwuchssuche: Pressetermin im Autohaus Albertsmeyer in Nordhausen (Foto: agl)


Und auch Unternehmen wie die Albertsmeyer-Gruppe sind auf gut ausgebildete Leute angewiesen. Unter den rund 200 Mitarbeitern der Firma finden sich viele „Eigengewächse“, erzählen die Brüder Michael und Sascha Albertsmeyer und noch steht man mit einem Altersdurchschnitt von 38 Jahren gut da, aber es wird schwieriger. Ende vergangenen Jahres konnte man eine neue Lackiererei für eine gute Million Euro einweihen, nach einem willigen Azubi der sich hier seine Sporen verdient sucht man noch. Auch im gewerblichen Bereich sind noch vier Plätze frei und einen angehenden Karosseriemechaniker würde man auch gerne noch finden.

Einer der seinen Platz schon gefunden hat ist Tim Borchardt. Der Azubi hat im letzten Jahr mit seiner Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker begonnen und habe damit noch Glück gehabt, erzählt Borchardt, da er noch in den Genuss von Präsenzunterricht kommen konnte. Inzwischen läuft auch für ihn viel über Online-Unterricht, was mehr Selbstdisziplin brauche. Immerhin: als systemrelevantes Angebot waren die Werkstätten über die Pandemie hinweg geöffnet, sodass wenigstens der praktische Teil der Ausbildung wie gehabt verlief.

Auf Seiten der Arbeitsagentur muss man den Herausforderungen der Pandemie ebenfalls digital begegnen. So bietet man unter anderem Berufsberatung per Video über die Plattform YouTube an. Etwa 20 bis 30 Interessenten erreiche man im Moment pro Woche, sagt Froböse, was gut aber auch ausbaufähig sei. Für Eltern wird am Donnerstag von 16 bis 18 Uhr eine „Elternsprechstunde“ per Telefon angeboten. Außerdem sucht man die bewährte Kooperation mit Institutionen wie der Industrie- und Handwerkskammer um an die jungen Leute heranzukommen.

Für den Sommer plant man zudem auch wieder mit Präsenzveranstaltungen unter freiem Himmel. Erste Erfahrungen konnte und musste man damit bereits im vergangenen Jahr sammeln, als man eine Berufs- und Ausbildungsbörse auf dem Parkplatz der Agentur in Nordhausen auf die Beine stellte. Drei solcher Veranstaltungen soll es auch in diesem Jahr wieder geben, Corona-gerecht versteht sich. Die Termine werden noch bekannt gegeben.
Angelo Glashagel