Es wäre apokalyptisch, sich vorzustellen, nachfolgende Generationen wüssten einmal nur aus Erzählungen, es habe einst Schwalben und zahlreiche Vögel in Feld, Wald und Flur gegeben. Auch Wiesen und Felder mit blühenden Blumen, auf denen Bienen, bunte Schmetterlinge und viele Insekten herumschwirrten. Sich auszumalen, all das könnte Geschichte werden, sei doch absolut absurd. Ist es das wirklich?
Meyk Forst mit der Herde Schottisches Hochlandrind auf einer Weide in der Rüdigsdorfer Schweiz. (Foto: Kurt Frank)
Rüdigsdorf. Wir hören und lesen es tagtäglich: Insekten- und Vogelschwund. Bienensterben. Rote Listen. Fragen wir doch einmal Kinder, ob überhaupt und wann sie ihnen letztmalig begegnet sind: Stieglitze, Goldammern, Rebhühner, Haubenlerchen, Rotschwänzchen, Bachstelzen, Schmetterlinge? Wüssten sie, was ein Admiral, Schwalbenschwanz, Trauermantel, Tagpfauenauge oder Großer Fuchs ist? Die Antworten würden uns nicht überraschen. Einst allgegenwärtig um Haus, in Hof und Garten, wissen heute viele Menschen kaum noch etwas von deren Existenz.
Die bunte Vielfalt in der Natur war einmal. Sie siecht weiter dahin. Das beste Mittel dagegen: Naturschutz und Landwirtschaft Hand in Hand. Wie in einer guten Ehe. Wo das praktiziert wird, belebt sie sich wieder. Landwirt Meyk Forst aus Rüdigsdorf praktiziert es, ging die Ehe mit der Natur ein. Von den 67 Landschaften, welche in Deutschland den Titel Schweiz tragen, ist die Rüdigsdorfer eine der kleinsten.
Hier finden sich Biotoptypen auf kleinem Raum: Arten- und blütenreichere Mager -und Trockenstandorte, Wirtschafts- und Streuobstwiesen, Feuchtgebiete. Lebensraum für seltene Pflanzen und Tiere: Knabenkraut, Händelwurz, Fliegenragwurz. Außerdem verschiedene Fledermausarten in den Gipskarsthöhlen. Insekten und seltene Schmetterlinge.
Flora-Fauna-Habitat. Meyk Forst lässt die Flächen beweiden. Er gründete den Berghof seines Namens 1994 als Nebenerwerbsbetrieb mit vier Jährlingen der Rasse Highland Cattle (Schottisches Hochlandrind). Ziel war es damals für den heute 59-Jährigen schon, einen aktiven Beitrag zur Erhaltung, Pflege und Entwicklung der heimischen Kulturlandschaft Rüdigsdorfer Schweiz zu leisten. Das geschieht dank landschaftspflegerischer Beweidung auf Mager- und Trockenstandorten, Feuchtwiesen und Streuobstsbeständen.
Erst zwei Tage alt ist dieses Kälbchen, das Meyk Forst liebevoll umarmt. Im Hintergrund das dunkle Tier der Rasse Schottisches Hochlandrind ist die Mutter des Kleinen. (Foto: Kurt Frank)
Seit nunmehr über 25 Jahren erfolgt eine extensive umweltverträgliche Grünlandbewirtschaftung mit naturnaher, tiergerechter ganzjähriger Freilandhaltung der Rinder. Derzeit beweiden 60 Hochlandrinder und 20 British Longhorn 100 Hektar Grünland in der Rüdigsdorfer Schweiz und beugen Verbuschungen vor.
Durch ihr spezifisches Fraßverhalten erfolgt kein vollständiges Abweiden der Oberfläche. Am Boden eng anliegende Pflanzenteile bleiben vom Verbiss verschont. Was an Kotstellen wächst, meiden die Rinder. Die Vegetation entwickelt neue Strukturen. Das Offenhalten der Landschaft fördert zudem konkurrenzschwache Pflanzen. Über Kothaufen freuen sich Käfer. Im Winter finden Vögel in den Hinterlassenschaften der Vierbeiner Nahrung.
Natura 2000 ist das größte, länderübergreifende Schutzgebietssystem der Welt. In Thüringen verfügt es über 212 FFH-Gebiete und 44 EU-Vogelschutzgebiete. Seit 2016 kümmert sich das Netzwerk der 12 Natura 2000-Stationen im Freistaat um den Erhalt der Lebensräume. Geehrt werden verdiente Landwirte, die eine Ehe mit der Natur eingehen, die Früchte trägt, als Natura Landwirte. Meyk Forst ist einer von ihnen. Er darf sich Natura Landwirt 2020 nennen.
Vorschläge für diese Ehrungen kommen aus den 12 Thüringer Natura 2000-Stationen. Für Personen und landwirtschaftliche Betriebe, die, wie der Rüdigsdorfer, in ihren Regionen entsprechende Projekte zum Schutz von Flora und Fauna wirkungsvoll, auch mit Partnern, umsetzen.
Die öffentliche Ehrung für Meyk Forst war für Ende Oktober geplant. Wirkungsvoll - mit Vertretern der Träger des Kompetenzzentrums: Bäuerliche Landwirtschaft, Thüringer Ökoherz, Naturschutzbund, Thüringer Bauernverband. Sie fiel der Corona-Pandemie zum Opfer. Sie wird nachgeholt. Garantiert. Zugegebener Zeit. Mit Laudatio.
Kurt Frank