Am gestrigen Abend ging es im Bürgersaal eigentlich um kulturelle Jugendbildung. Im Kern wurde aber darüber gesprochen, wie das kulturelle Leben in Zukunft gestaltet werden kann...
Wie kann das kulturelle Angebot erhalten werden - darüber wurde im Bürgersaal diskutiert (Foto: Angelo Glashagel)
Wenn in Podiumsdiskussionen über "Konzepte" gesprochen wird, wenn Worte wie "Kooperation", "Netzwerk" und "Partizipation" fallen, dann erwartet man als skeptischer Beobachter vor allem erst einmal eines: viel heiße Luft. Denn es gibt viele dieser Veranstaltungen und sie alle klingen ähnlich.
Am Abend im Bürgersaal des Ratshauses (und nicht im Ratsaal des Bürgerhauses) also ein weiteres Konzept, das in Workshops und Podiumsdiskussionen besprochen wird und von dem man nicht weiß, ob es sein Ende nicht in einer Schublade finden wird. Tatsächlich war auch in dieser Diskussion wenig Konkretes aus dem Podium zu hören. Dafür viel Theorie zu Sachverhalten, die lange bekannt sind, sollte man meinen. Und doch schaffte es die kleine Runde, das Thema in substantielle Tiefen zu steuern.
Thema des "Kultursalons" war die kulturelle Jugendbildung. Im Positionspapier des Organisators, der Landesvereinigung kulturelle Jugendbildung (LKJ), wurden gleich einige drastische Thesen aufgestellt. Mehr festes Personal das angemessen bezahlt wird, mehr institutionelle statt befristeter Förderung, Fortbildungen für Ehrenamtliche - kurz die kulturelle (Jugend-)Bildung sei "ein Menschenrecht" und sollte "unverzichtbare öffentliche Aufgabe" sein. Es soll nicht nur "Leuchtturmprojekte" in den Städten, sondern auch kulturelle Bildung im ländlichen Raum geben.
Angesichts leerer kommunaler Kassen, einer alternden Gesellschaft und punktuell nahezu verlassenen Dörfern klingt das wie Utopie. Und ist es wohl auch. Wenn man aber die Bandbreite und Vielfalt an kulturellen Angeboten, in der Hochkultur wie auch der Subkultur, erhalten will, dann muss man etwas ändern, müssen sich die Institutionen und mit ihnen ihre Herangehensweisen ändern. Das war die Kernbotschaft des Abends.
Mit dem Kulturentwicklungskonzept will man Wege finden, wie das möglich ist. In den Landkreisen Hildburghausen und Sonneberg im Süden des Freistaates und vor Ort im Landkreis Nordhausen und dem Kyffhäuserkreis arbeitet man seit dem Frühjahr an Ideen, wie sich die Kultur über die Grenzen der Landkreise hinweg neu organisieren kann.
Ein Wort, das dabei immer wieder fällt, ist Partizipation. Das heißt auch mehr Beteiligung der Jugend, denn um die ging es in der Podiumsdiskussion schließlich. Das die sich nicht unbedingt für Theater und Literatur interessiert, unterstrichen die Geschäftsführerin des Kreisjugendrings, Sabine Reich, und die Schülerin der zehnten Klasse der Lessing Schule, Michelle Puls.
Im Podium diskutierten v.l.n.r.: Reiner Ende, Elke Harjes-Ecker, Sabine Reich, Michelle Puls und Dr. Patrick S. Föhl. Moderiert wurde die Diskussion von Tobias Knoblich (Foto: Angelo Glashagel)
Das klassische Klientel der großen Institutionen, das "Kulturbürgertum" breche langsam weg, sagte Dr. Patrick Föhl, der in Sachen Kulturentwicklungskonzept die Feder führt. Es könne aber nicht darum gehen, sich mit der Jugendarbeit einfach das Theaterpublikum für morgen zu erziehen. Das funktioniert nicht in einer Gesellschaft, die zunehmend pluralistischer wird.
Reiner Ende, Leiter des Kunsthofes in der siebzig Einwohnergemeinde Friedrichsrode, sieht vor allem das Problem der immer größeren Distanzen. Die Bildungseinrichtungen, die traditionellen Einstiegspunkte für den Kontakt mit "Kultur", ziehen sich immer weiter aus der Fläche zurück.
Im Kyffhäuserkreis versuchen zum Beispiel die Musikschulen das Problem mit Dezentralisierung zu umgehen. Über 50 Außenstellen gibt es über den Kreis verteilt. Auf Dauer wird man solche Lösungen aber nicht aufrecht erhalten können, meinte Dr. Föhl. Die Lösung, die in den kommenden Jahren in Nordthüringen erprobt werden soll, lässt sich auch mit Partizipation umschreiben. Die kleinen und großen Einrichtungen sollen dazu übergehen, ihre Ressourcen und ihre Expertise besser zu teilen, der Verein von Ehrenamtlichen vom Apparat der etablierten Musentempel profitieren. "Wir können nicht dem Wachtsumsparadigma folgen", sagte Föhl, es gehe nicht darum neue Einrichtungen und damit neue Investitionsbedarfe zu schaffen. In Nordthüringen gäbe es viele aktive Akteure, sie müssten lernen vermehrt zusammen zu arbeiten, so Föhl. Das Bestehende müsse für die Zukunft fest gemacht werden. Frau Reich vom Kreisjugendring trat für weniger Bürokratie ein. Projekte bräuchten mehr "offene Budgets", also weniger Regulierung bei der Ausgabepraxis. Und Michelle Puls wies daraufhin, das man eine der Jugend angemessene Sprache finden müsse, wenn man sie einbeziehen wolle.
500.000 Euro hat das Land für die beiden Konzepte zur Kulturentwicklung bereit gestellt. Die beteiligten Landkreise haben sich dazu verpflichtet, die Vorschläge der Konzepte auch umzusetzen. Ob das geschehen wird bleibt abzuwarten. Wenn die Finanzierung wirklich nicht ins Gewicht fallen sollte, wäre es gut möglich.
Konkretes fehlte, wie eingangs erwähnt, an diesem Abend größtenteils. Im Januar soll der Entwurf des Konzeptes fertig sein, zwischen März und April wird dann die fertige Fassung, samt konkreter Ideen, vorgestellt werden. Allerdings kann jeder jetzt schon nachverfolgen, was in den Workshops besprochen wurde. Unter http://www.kulturkonzept-kyf-ndh.de/ sind sämtliche Protokolle und viele andere Informationen abrufbar.
Angelo Glashagel